Wo Nachhaltigkeit draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein – das schreibt die EU mit der Taxonomie-Verordnung großen Unternehmen vor und verlangt einen Nachweis für ökologisches Wirtschaften. Auch in der Immobilienbranche ist das Thema angekommen, das zeigt eine kleine Umfrage des STANDARD unter 20 heimischen Entwicklern und Bestandhaltern. Doch viele Unternehmen tun sich schwer mit der "Informationsflut", wie es etwa Dominik Peherstorfer, Gesellschafter des Entwicklers Avoris, ausdrückt. Es sei eine Holschuld der Unternehmen, sich zum Thema ESG (Environmental, Social und Governance) zu informieren, und eine gewisse Herausforderung, die entscheidenden Aspekte zeiteffizient zu filtern.

Die EU-Taxonomie-Verordnung wird sich ziemlich stark darauf auswirken, welche Häuser wo gebaut werden und wie sie finanziert werden. Im Bild ein Projekt von ARE und UBM im "Village im Dritten" in Wien-Landstraße, bei dem bereits die Vermarktung läuft.
Visualisierung: Squarebytes

Das bestätigt auch der Entwickler 6B47: Durch die große Dynamik und Breite des Themas entstehe dem Unternehmen ein größerer Aufwand, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein, heißt es. Von "vielfältigen und komplexen Herausforderungen" spricht auch der Immobilienkonzern Soravia.

Zuständigkeit meist geklärt

So gut wie alle Unternehmen, von denen Antworten kamen – immerhin ein Dutzend – haben bereits Zuständige für das Thema auf unterschiedlichen Ebenen implementiert. Bei der CA Immo ist der Bereich Corporate Sustainability, der für das konzernweite ESG-Management und -Reporting zuständig ist, direkt dem CEO unterstellt. Auch bei der s Immo gibt es eine eigenständige Abteilung, die direkt an den Vorstand berichtet. Bei der Immofinanz ist die Funktion des ESG-Beauftragten auf der Ebene des mittleren Managements angesiedelt.

In der Bundesimmobiliengesellschaft koordiniert eine eigene Stabsstelle "Energie & Nachhaltigkeit" das Thema ESG konzernweit. Beim gewerblichen Entwickler 6B47 wurde ein "Head of Corporate Sustainability & ESG" etabliert, der beim CEO direkt angesiedelt ist, bei Invester United Benefits ist die Person auf Holdingebene verankert. Bei der Süba AG beschäftigen sich ESG-Beauftragte in einer an den Vorstand berichtenden Stabsstelle mit dem Thema, und beim Entwickler Winegg ist das Thema ESG "direkt der Geschäftsführung zugeordnet", sagt Prokurist Hannes Speiser.

Die S+B Gruppe hat "bewusst zwei junge Mitarbeiter aus dem Bereich Österreich und CEE mit dieser Aufgabe betraut, diese berichten direkt an den Vorstand", sagt Wolfdieter Jarisch, Vorstand und Gesellschafter der Gruppe. Bei der Soravia ist ein ESG-Beauftragter auf Abteilungsleiterebene installiert.

Kurze Fristen, viel Aufwand

Die Verantwortlichkeiten sind also weitgehend geklärt. Zahlreiche offene Fragen gibt es aber im Umgang mit dem Thema ESG.

Die Bundesimmobiliengesellschaft wünscht sich etwa eine bessere Definition von Begriffen. Viele würden noch falsch oder irreführend verwendet – etwa die Bezeichnung "klimaneutral". Hier gebe es Nachholbedarf. Zudem hätte man gern Vorabinformationen, wenn es um die Umsetzung geplanter Weiterentwicklungen sowohl auf EU- als auch nationaler Ebene geht.

Ins selbe Horn stößt Susanne Steinböck, Head of Sustainability bei der CA Immo. "Eine Herausforderung ist sicherlich der kurze Zeitraum zwischen Veröffentlichung neuer Regularien und dem Inkrafttreten der entsprechenden Reportingpflicht für Unternehmen." Zudem gebe es noch viele Unsicherheiten in der Auslegung und praktischen Anwendung einiger Vorgaben. Auf Unternehmensseite gebe es hier einen beträchtlichen Ressourcen- und Beratungsaufwand, um allen Anforderungen nachzukommen.

Bestände werden gescreent

Die neuen Vorgaben verändern nicht nur, wie Immobilienunternehmen arbeiten und sich informieren müssen. Auch die Gebäude selbst haben gewisse Kriterien zu erfüllen. Tun sie es nicht, dürften sie früher oder später unattraktiv werden – sowohl für Investorinnen als auch für Mieter.

Bei den großen Bestandhaltern CA Immo, Immofinanz, s Immo und BIG wurden die Gebäude schon auf Taxonomiekonformität überprüft. Bei der s Immo hat man etwa eine Klimarisikobewertung aller Gebäude im Bestand durchgeführt.

Preisabschläge für sogenannte "braune" Assets, die den Anforderungen nicht mehr gerecht werden, sehe man jetzt schon, heißt es vom Entwickler Invester United Benefits. Der Wertverlust sei eine logische Folge, da Käufer, Bestandhalter und Finanzierungspartner schon jetzt vermehrt nachhaltige Immobilien nachfragen würden. Die Höhe der Abschläge sei momentan aber nicht bezifferbar.

Für manche Unternehmen, wie die CA Immo, ist diesbezüglich noch vieles unsicher. "Schlechte ESG-Kennzahlen bzw. hohe Investitionskosten zur Verbesserung derselben können beim An- oder Verkauf von Immobilien aber zum Deal-Breaker werden, diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich noch weiter ausprägen", sagt Steinböck von der CA Immo.

Bei Soravia erwartet man Preisabschläge im zweistelligen Prozentbereich bei Wohn- und Büroimmobilien. Die Immofinanz geht davon aus, dass die Abschläge rund zehn Prozent betragen werden und in westlichen Märkten früher zu spüren sein werden als in Osteuropa.

Zumindest verlängerte Vermarktungsphasen für nicht zertifizierte Gebäude erwartet man bei 6B47; bei gewissen Käufern, vor allem institutionellen Investoren, dürften solche Gebäude die Ankaufskriterien gar nicht mehr erfüllen.

Nachhaltige Mietverträge

Dass Immobilien die Anforderungen nicht mehr erfüllen, spielt aber auch für Nutzerinnen eine Rolle. In Green-Lease-Verträgen wird manchmal schon mit Mietern eine nachhaltige Bewirtschaftung vereinbart, etwa von der Immofinanz und der CA Immo. "Diese Verträge können zu Kosteneinsparungen durch geringeren Verbrauch führen und gleichzeitig einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, indem Emissionen und Abfall reduziert werden", heißt es von der Immofinanz. Steinböck von der CA Immo weist darauf hin, dass eingemietete Unternehmen immer öfter selbst ESG-Ziele einzuhalten haben. Da sei eine klima- und ressourcenfreundliche Büronutzung mit entsprechenden Nachweisen oft Teil der Konzernstrategie. (Martin Putschögl, Bernadette Redl, 2.3.2024)