Harald Faderbauer gab im Halbfinale der Heim-WM 1991 zu den schönsten Hoffnungen Anlass.
Rainer Kalliany

Wien – Wenn Harald Faderbauer in Fahrt kommt, ist er nicht leicht zu stoppen. Spricht der ehemalige Olympiaruderer über Gott und die Welt, vor allem über die Welt samt All, wäre es aber auch ein schwerer Fehler, ihn stoppen zu wollen. Der Mann sprüht, springt von Idee zu Idee, von Anekdote zu Anekdote, von Denkwürdigem zu Wunderbarem, von einer Lithium-Mine in Kärnten, die dummerweise um einen Pappenstiel an Australier abgegeben wurde, zur Möglichkeit, den Mars zu erreichen. Oder er spricht davon, mit Vertrauen in uns selbst und durch das Ziehen an einem Strang die Energiewende zu schaffen.

"Wer die nächsten 50 Jahre überlebt, der wird sehen, was in 300 Jahren geschafft wurde", sagte der gebürtige Wiener noch, ehe er den Abend mit Lauftraining zu beschließen gedenkt. Ja, auch das, sagt Faderbauer, beschäftigt ihn schon lange – was wäre, wenn der den menschlichen Zellen innewohnende Fehler, sich selbst zu zerstören, zu beheben wäre, auf dass sie weit längeres Leben ermöglichen, als gegenwärtig angenommen werden darf?

Es war einmal ein Schwimmer

Faderbauer lebt seit 57 Jahren, und der Verdacht, dass er in dieser Spanne wenig Zeit verschwendet hat, drängt sich auf. Schon mit zehn Jahren war der schwer zu ermüdende Bursche ("Ich habe schon mit fünf nicht ruhig sitzen können") Leistungsschwimmer. Damals zog die Familie von Rodaun nach Perchtoldsdorf bei Wien. Und Harald, der in seiner Altersklasse zu den besten Schwimmern Österreichs zählte, orientierte sich auf Anraten des Vaters, eines rudernden Managers in der Telekommunikationsbranche, um, weil in seinem Sport das Know-how gefehlt habe, um an die Weltspitze heranzukommen. "Daran", sagt Faderbauer, "hat sich bis heute nicht viel geändert. Wenn es einer schafft, dann übers Ausland."

Im Rudern sei dem nicht so gewesen. Und auch gab es Vorbilder wie Raimund Haberl, der im Leichtgewichts-Einer zweimal Weltmeisterschaften gewann, die damals noch nicht so hießen. Harald Faderbauer, der auf mehr als 1,90 Meter heranwuchs, kam ins Schwergewicht, dem bis 1996 das olympische Dabeisein vorbehalten war. "Ich bin der Größte in der Familie, vielleicht eine Spontananpassung durch das frühe Schwimmtraining."

Tatsächlich war und ist sein um drei Jahre jüngerer Bruder Gernot deutlich zierlicher, er machte Karriere als Leichtgewichtsruderer, wurde von 1993 bis 1995 im Doppelvierer mit den Herren Walter Rantasa, Christoph Schmölzer und Wolfgang Sigl gar dreimal en suite Weltmeister.

Goldene Zeiten

Die österreichische Ruderei erlebte, auf ein vielfältiges Vereinsleben aufbauend, quasi goldene Zeiten. In das wuchsen die Faderbauers hinein, die mit dem Vater an die Alte Donau gezogen waren – wegen der Nähe zum Verein LIA und der Trainingsmöglichkeiten.

Der Boom hatte auch viel mit der Vergabe der WM 1991 an Wien (Neue Donau) zu tun, die 250.000 Zuschauerinnen und Zuschauer anziehen sollte. Und auch mit dem Engagement von Hans Eckstein. Der ehemalige Ruderer aus Halberstadt aus Sachsen-Anhalt hatte als Trainer für Erfolge von DDR-Booten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gesorgt, ehe er nach der Wende wie nicht wenige Trainerkollegen in Österreich ein neues Betätigungsfeld fand.

Ecksteins Ansatz

Harald Faderbauer entsinnt sich, dass Eckstein in Österreich von der Kopie des DDR-Erfolgsmodells und also von Doping abriet. "Dort gab es sogar ein Studium für trainingsunterstützende Maßnahmen. Das, hat er gesagt, können wir nicht nachmachen." Die Österreicherinnen und Österreicher setzten auf Anraten Ecksteins auf alternative Ansätze. Das Geheimnis, sagt Faderbauer, sei die Zusammenarbeit mit anderen Sportarten gewesen. Er selbst fuhr Rad mit Spitzenamateuren wie Christoph Ziermann, trainierte sein Schmalz mit Kraftdreikämpfer Karl Salinger und frönte dem Langlauf mit Alois Stadlober, dem Staffelweltmeister von 1990. "Der ist mit seinen 70 Kilogramm gelaufen, und ich mit knapp 100 hinterher. Es war hart, hat aber Spaß gemacht."

Unüberwindliches

Die Abwechslung hielt trotz bedeutend höherer Umfänge mental fit. Harald Faderbauer ruderte in die Weltspitze, stieß aber bei Großereignissen auf unüberwindliche Schwierigkeiten. "Im Weltcup war ich oft Zweiter, Dritter, nur bei den Spielen, bei Weltmeisterschaften waren die anderen plötzlich besser." Faderbauer ruderte gegen Allzeitgrößen im schweren Einer, gegen Doppelolympiasieger Thomas Lange aus Ostdeutschland, gegen den legendären Polen Kajetan Broniewski und den auf Silbermedaillen abonnierten Tschechen Václav Chalupa. Aber auch weniger namhafte Kollegen zogen bei Großereignissen und da vor allem in Finalläufen an Faderbauer vorbei. Ein wenig wurmt ihn das heute noch.

Unmenschliches

Den für ihn enttäuschenden sechsten Platz bei der Heim-WM auf der Neuen Donau begründet er jedoch auch mit einer gewissen Euphorie: "Ich war im Weltcup Zweiter und war gezwungen, das ganze Jahr über gut zu sein." Vor der WM legte Faderbauer die 2000 Meter auf dem Rotsee zu Luzern binnen 6:52 Minuten zurück, "meiner absolut besten Zeit". Im WM-Halbfinale gab ihm eine 6:53,2 zu den schönsten Hoffungen Anlass, "und im Finale wollte ich mitrudern", aber Lange lieferte eine 6:41, "das ist unmenschlich" und sei "bei einer trainierbaren Sportart" auch nicht so einfach erklärbar gewesen.

"Mit 6:52 wirst du heute noch Zweiter oder Dritter", sagt Faderbauer, der 1992 bei den Spielen in Barcelona mit Rang acht (Zweiter im kleinen Finale) sein bestes olympisches Ergebnis ablieferte, nachdem er 1988 in Seoul im Doppelzweier mit Thomas Musyl, beide blutjung und davor in Topverfassung, wegen einer Erkrankung nicht reüssieren konnte.

Hoch hinaus

Mitte der 1990er war aber schon eine ganz andere Passion in Harald Faderbauers Leben getreten, die Fliegerei. Vom Hängegleiter und Paragleiter war es nicht weit ins Cockpit, noch während der aktiven Zeit als Ruderer folgten der Pilotenschein und die Ausbildung zum Fluglehrer. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass Tyrolean Airways wegen Personalmangels das Höchstalter für Piloten so weit hinaufsetzte, dass er in den Linienflugbetrieb einsteigen konnte, 2012 wechselte Faderbauer mit der ganzen Linie unter die Fittiche der AUA, für die er heute noch fliegt, "Kurzstrecke und Mittelstrecke, also Europa, auf der Embraer, da haben wir 17 Stück".

Noch höher hinaus

Bis zu viermal die Woche ist Kapitän Faderbauer unterwegs, zu Hause in Perchtoldsdorf wohnt er inzwischen nur noch mit seiner Frau Andrea, einer Flugbegleiterin. Die beiden lernten einander beim Ball des Sports in der Südstadt kennen. Die Söhne Nico (27), ein Game-Entwickler, und Noah (22), ein Student der Philosophie und begnadeter Schachspieler, wohnen an der Alten Donau und beanspruchen die Zeit der Eltern kaum noch, also kann sich Harald Faderbauer seinen vielfachen Interessen widmen. "Je eine halbe Stunde Schach und Raumfahrttechnik sind täglich drinnen."

Adel verpflichtet

Faderbauer, der Elektrotechniker, ist in vielerlei Hinsicht ein Tüftler, vor allem aber ist er noch ein rastloser Sportler. Mastersrennen rudert er nicht, den Ehrgeiz lebt er eher beim Langlauf aus, wie beim Traditionsmarathon in Bärnkopf im Waldviertel, wo er 2023 in einer Dreierstaffel mit seinem ehemaligen Ruderkollegen Karl Sinzinger und Thomas Moderbacher lief, die in sechs Stunden satte 105,97 Kilometer zurücklegte. Heuer holte Faderbauer bei der Ski-WM der Airlines in Lenzerheide, Schweiz, hinter einem Norweger und einem Kollegen von der Lufthansa für die AUA Platz drei im Distanzlanglauf.

Harald Faderbauer
Harald Faderbauer (rechts) am Siegerfoto der Ski-WM der Airlines.
Harry Gaiswinkler

"Adel verpflichtet, es ist doch schade, wenn man das alles liegen lässt", sagt Harald Faderbauer, ehe er zum Lauftraining auf der Perchtoldsdorfer Heide aufbricht, wenn die Ziesel schon schlafen. Zu stoppen wird er da nicht leicht sein, was schade ist, denn der Mann hat viel zu erzählen – über Gott und die Welt, vor allem die Welt samt All. (Siegfried Lützow, 16.4.2024)