Georg Hoffmann im Museum: Der Saal
Georg Hoffmann im Museum: Die Saalgruppe "Republik und Diktatur" wurde geschlossen, eine neue Ausstellung zur Zeit von 1918 bis 1955 wird gerade erarbeitet.
APA/HELMUT FOHRINGER

Seit gut einem Jahr ist der Zeithistoriker Georg Hoffmann Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM). Er übernahm das Haus in denkbar schwieriger Lage. Unter Hoffmanns Vorgänger M. Christian Ortner war das Militärmuseum Kritik von vielen Seiten ausgesetzt: Experten kritisierten die veraltete inhaltliche Ausrichtung, politisch Aktive sahen eine drohende Vereinnahmung durch Rechtsextreme, schließlich attestierte der Rechnungshof eine lange Mängelliste.

Bis heute müsse Hoffmann, wie er sagt, gegen diese Altlasten und vorhandenen Mängel ankämpfen, einen Plan für die Neuaufstellung hat er aber bereits: Die Zeitspanne von 1918 bis in die Gegenwart soll langfristig in einem bisher ungenutzten, großflächigen Nebengebäude zeitgemäß neu präsentiert werden, im Hauptgebäude will er dadurch Raum für dringend notwendige Sonderausstellungen schaffen. Es wird groß gedacht im Arsenal, doch die Schritte zum Ziel sind erzwungenermaßen noch klein.

STANDARD: Sie sind jetzt seit gut einem Jahr Direktor des HGM und mussten ein Haus mit sehr vielen Baustellen übernehmen. Was ist weitergegangen?

Hoffmann: Ich schicke voraus: An manchen Stellen wird erst nach einem Jahr nach und nach klar, wie groß die Baustellen eigentlich sind, die mir hinterlassen wurden. Das Museum lag völlig brach, es gab keinerlei Ideen und Planungen mehr. Das Jahr war bisher sehr davon geprägt, die dringendsten Baustellen anzugehen, das Arbeitsklima zu verbessern, aber auch interne Blockaden zu lösen. Manchmal ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Wir haben den scharf kritisierten Bereich Republik und Diktatur (1918–1945) geschlossen und arbeiten intensiv an einer Neuaufstellung. Dabei geht es auch um eine neue Rolle des Museums als Diskussionsplattform, als Ort von Wissenschaft und gesellschaftlichem Dialog, als Beiträger zu einer geistigen Landesverteidigung und gerade in Verbindung mit dem Bundesheer als Ort der Reflexion, des Geschichtsbewusstseins und einer modernen Militärgeschichte.

STANDARD: Ihr Plan zur Wiederöffnung des Bereichs "Republik und Diktatur" bis 2025 steht noch?

Hoffmann: Ja. Im Jubiläumsjahr 2025 – zum Kriegsende und Beginn der 2. Republik 1945 sowie Staatsvertrag und Neutralität 1955 – werden wir eine neue Ausstellung zur Zeit von 1918 bis 1955 eröffnen. Allerdings nicht im Haupthaus, sondern in einem eigens geschaffenen Gebäude außerhalb. Wir wollen hier moderner und diskursiver erzählen. Die Flächen, die im Haupthaus frei werden, sollen künftig für Sonderausstellungen genutzt werden – ein dringend notwendiger Schritt. Das langfristige Ziel ist dann, eine Dauerausstellung zu schaffen, die bis in die Gegenwart reicht. Es wird eine schrittweise Gesamtsanierung des Hauses notwendig sein, dazu zwingen bauliche und technische Mängel.

STANDARD: Und das errichtete Gebäude außerhalb wird nur temporär sein?

Hoffmann: Ja. Langfristig soll das sogenannte Objekt 4, das sehr lange schon brachliegt, diese neue Dauerausstellung zur Zeit von 1918 bis in die Gegenwart fassen. Das ist ein dreistöckiges Gebäude, das aufgrund davorliegender Sportplätze bisher nicht genutzt werden konnte und eine Gesamtsanierung benötigt. Hier ist noch ein sehr weiter Weg zu gehen. Wir und das Ministerium arbeiten mit der Stadt Wien an einer Lösung, auch hinsichtlich einer Zusammenarbeit. Denn im Arsenal wird mit dem Einzug des Foto Arsenal Wien eine Museumsmeile entstehen, in die sich auch das HGM federführend einbringen wird. Wir haben hier schon konkrete Ideen und Pläne.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf Besuch im HGM, in Empfang genommen von seiner Amtskollegin Klaudia Tanner (ÖVP).
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf Besuch im HGM, in Empfang genommen von seiner Amtskollegin Klaudia Tanner (ÖVP).
APA/EVA MANHART

STANDARD: Manche sagen, Sie verzetteln sich aktuell in zu vielen Baustellen und konzentrieren sich zu wenig aufs Wesentliche, nämlich die Ausstellung. Was sagen Sie dazu?

Hoffmann: Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass das von außen so wirken kann. Wir sind leider dazu gezwungen, Dinge jetzt gleich anzupacken, die viel zu lange liegengeblieben sind. Es ist mitunter Gefahr im Verzug. Die Situation in den Depots, die Elektrik im Haus, der Zustand der Büroräume oder die Stärkung des Teams. Nicht ohne Grund stand das Haus in einer beispiellosen Kritik. Ich bin zuversichtlich, dass wir durch Neuaufnahme von Personal die zusätzliche Arbeitsbelastung bewerkstelligen und uns damit so aufstellen werden, wie es für ein so wichtiges Museum zeitgemäß ist.

STANDARD: Gab es bereits personelle Erneuerungen?

Hoffmann: Wir haben vakante Stellen wieder nachbesetzen können und professionalisieren uns zum Beispiel im wissenschaftlichen Bereich oder haben eine neue Kommunikationsleitung. Vor allem aber verbessern wir das Arbeitsklima und die Abläufe im Team. Das HGM hatte sich einzementiert und nur noch bewahrt, aber nicht mehr gestaltet. Schon bei meinem Dienstantritt waren etliche Dinge so festgezurrt, dass ich sie nur schwer wieder ändern kann. Ich wurde teils vor vollendete Tatsachen gestellt, die jetzt diesen erhöhten Arbeitsaufwand nach sich ziehen.

STANDARD: Es wurden also Fallstricke gelegt? Zuletzt, so hört man, haben Sie Ihren Stellvertreter Christoph Hatschek von dessen Aufgaben entbunden. Warum?

Hoffmann: Die Dienstbehörde hat hier eine neue Dienstzuteilung vorgenommen. Es hat sich leider gezeigt, dass das Vertrauensverhältnis hier nicht mehr gegeben war. Das HGM war lange genug durch innere Konflikte gezeichnet. Es ist jetzt an der Zeit, nach vorn zu blicken.

STANDARD: Fühlen Sie sich von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ausreichend unterstützt?

Hoffmann: Absolut, ja. Sie hat beschlossen, diese Neuaufstellung einzuleiten, dem HGM und seinem Team eine Zukunft zu geben und das Potenzial des Hauses auszuschöpfen. Darüber bin ich froh. Sie hat den Wert des Hauses erkannt und auch finanzielle Mittel dafür zugesagt.

STANDARD: Andere im Ressort sollen Ihnen gegenüber aber weniger wohlgesonnen sein. Fürchten Sie sich vor einem politischen Wechsel nach der kommenden Nationalratswahl?

Hoffmann: Ich erlebe eigentlich sehr viel Unterstützung für unsere Entwicklung, gerade auch weil das Potenzial des HGM unumstritten ist. Was ich nicht möchte, ist, dass das HGM zu einem politischen Zankapfel wird. Das sollte ein Museum als wissenschaftliche Einrichtung, als Ort des gesellschaftlichen Dialogs und als Bildungseinrichtung nie sein. Wir haben eines der größten und reichhaltigsten Museen Europas, das gerade jetzt für die Gesellschaft eine wichtige Bedeutung hat.

STANDARD: Sind Sie als Mann der Mitte linken Kritikern nicht radikal genug und den Rechten nicht rechts genug?

Hoffmann: So schlimm nehme ich das nicht wahr, nein. Aber es geht ja eigentlich um die Entwicklung des Hauses. Das Haus bewegt die Menschen. Unsere Besuchszahlen steigen, zuletzt über 220.000. Es war höchste Zeit, dass sich auch das Haus selbst bewegt, indem es diskursiver, vielseitiger, relevanter und gegenwartsbezogener wird. (Stefan Weiss, 16.4.2024)