Fast jeder zweite neu zugelassene Wagen war 2023 ein SUV, rechnet Hanno Settele Mittwochabend um 20.15 Uhr in ORF 1 in "Dok 1: Geliebt, gehasst, gekauft – Streitfall SUV" vor. Warum wollen so viele Menschen einen SUV? Und warum werden Autos eigentlich immer größer und schwerer? Geht es um ein subjektives Gefühl von Sicherheit? Um Prestige und Macht? Um Ignoranz?

SUV-Fahrerin Verena Krivda mit ihrem geliebten SUV in der Waschstraße.
SUV-Fahrerin Verena Krivdamit ihrem geliebten Gefährt in der Waschstraße.
Foto: ORF/Neulandfilm

"Leben und leben lassen" ist die Devise der SUV-Liebhaberin Verena Krivda. Settele habe lange gesucht, um jemanden zu finden, der ihm die Faszination SUV erklären könne und auch einen hat. Und wurde schlussendlich doch fündig. Krivda mag ihren SUV, "es fährt sehr brav. Ich finde es auch sehr hübsch", sagt sie. Sie brauche das Auto, wohne oben auf einem Berg (der rund 450 Meter hoch ist, wie Settele im Off anmerkt). Der Bus fahre "nur jede halbe Stunde". Mit dem SUV bringt sie ihren Sohn in die Schule. Braucht man so ein Auto? "Bei uns ist Standard, dass jede Mama mit einem SUV herumfährt. Da ist meiner noch klein", sagt sie.

Prestigeobjekt oder Sinnbild des Versagens

Ein SUV ist ein "sportlicher Geländewagen, den man im Gelände eigentlich nicht benutzt", erklärt sie den Begriff. Nachsatz: "Weil man Angst hat, dass was passiert." In der Sendung ist Settele freilich auch in so einem "sportlichen Nutzfahrzeug" unterwegs. Die meisten SUV-Neuzulassungen gab es 2023 in Wien, "ein Geländewagen für die Umrundung der Ringstraße", fällt Settele dazu ein. Kaffee trinken, arbeiten, essen und danach ruhen, all das geht sich aus im SUV, beweist er beim Praxistest.

Ein Auto sei ein zweites Wohnzimmer, sagt auch die SUV-Liebhaberin. Ihr gehe es aber in erster Linie um Sicherheit, "ich habe gerne viel um mich herum". Aber natürlich sei es auch eine Art Statussymbol, gibt sie zu. Für Aktivistinnen und Aktivisten ist ein SUV hingegen Sinnbild unseres Versagens inmitten einer Klimakrise. "Wer einen SUV fährt, denkt nicht an die Zukunft und gefährdet Menschenleben", argumentieren die Gegner.

Hanno Settele mit Mobilitätsexpertin Lina Mosshammer im Autokino.
Hanno Settele mit Mobilitätsexpertin Lina Mosshammer im Autokino.
Foto: ORF/Neulandfilm

"Machtdemonstration auf der Straße"

Ein Marketingpsychologe sieht eine Art Wettrüsten, "die Autos werden breiter, größer, fetter, stärker". Er spricht von einer Machtdemonstration auf der Straße und dem Bedürfnis, ein "Territorium auf der Straße" zu besetzen. Das werde unter anderem mit SUVs befriedigt. Auf einer Automesse in Salzburg findet Hanno Settele fast nur große, schwere Autos. "Wir bauen Autos, die unsere Kunden wollen", sagt etwa VW.

Wo soll das hinführen? Werden die Autos immer breiter, höher und schwerer? Hier gibt das Gesetz eine Regelung vor, bei einer Breite von 2,55 Meter ist laut Kraftfahrgesetz Schluss, klärt ein Autojournalist auf. Breiter darf in Österreich ein Auto nicht sein. Sind SUVs aber tatsächlich sicherer, wie die Fans immer wieder behaupten? "Nicht unbedingt", sagt ein Techniker, wichtig seien vor allem die Assistenzsysteme, aber ein "blanker SUV ist nicht sicherer als jedes andere Auto". Der Techniker lässt also das Sicherheitsargument nicht gelten. Für die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern sei es entscheidend, dass da Material so weich als möglich ist.

Mitglieder der Letzten Generation bei einer Protestaktion gegen SUV's.
Mitglieder der Letzten Generation bei einer Protestaktion gegen SUVs.
Foto: ORF/Neulandfilm

Jehr mehr Geld, desto mehr Platz

Fußgänger und Journalist Christian Seiler prangert an, dass Fußgänger und Radfahrer die Wiener Innenstadt nicht genießen könnten, ohne sich zwischen SUVs durchquetschen zu müssen. Die Dichte an SUVs sei in der Innenstadt besonders hoch. Generell seien zwei Drittel der Verkehrsflächen im öffentlichen Raum in Wien für Autos reserviert, ein Drittel für Fußgänger, rechnet Settele vor. Aber nur 26 Prozent der Wege würden mit dem Auto zurückgelegt.

Etwa überspitzt formuliert Settele seine Frage an Christian Pesau vom Verband der Automobilhersteller: "Wer mehr Geld hat, kann sich mehr öffentlichen Raum nehmen, oder?" Generell sei es im Leben so, antwortet Pesau, "wer mehr Geld hat, kann sich mehr und größere Dinge leisten". Settele ist auch bei einem Protest der Letzten Generation dabei, die darauf aufmerksam macht, wie viel Platz solche SUVs brauchen und wie viel öffentlichen Raum sie für sich beanspruchen.

Je größer und schwerer das Auto, desto schlechter für die Umwelt, bringt es Settele auf den Punkt, sie würden auch etwa 20 Prozent mehr Treibstoff im Vergleich zu Mittelklassewägen benötigen. Und da wäre noch das Parkplatzproblem, Städte überlegen, für große Autos mehr Gebühren zu verlangen. Solche Zwangsmaßnahmen könnten aber am "Gefallen und an der Lust, solche Autos zu bewegen", wenig ändern, sagt da der Marketingpsychologe.

anno Settele mit SUV Fahrerin Verena Krivda in der Innenstadt vor ihrem parkenden SUV.
Hanno Settele mit Verena Krivda in der Innenstadt vor ihrem parkenden SUV.
Foto: ORF/Neulandfilm

Mit SUV-Fan Krivda ist Hanno Settele auf Parkplatzsuche in der Wiener Innenstadt, fündig wurden sie in der Parkgarage. Dass ihr Auto dort 1,5 Plätze beansprucht, ist für sie kein Problem, "dann müssen sie die Parkplätze größer machen", fällt ihr dazu ein, "ganz einfach". Ihr Vorschlag: eine eigene Parkspur und dafür höhere Gebühren für SUVs. Settele Fazits: "Für alle, die es sich leisten können oder wollen ,scheint die Richtung vorgegeben: Big ist beautiful." (Astrid Ebenführer, 24.4.2024)