Gustav Klimts "Bildnis Fräulein Lieser" hat eine bewegte Vergangenheit. Am Mittwoch wird es im Wiener Auktionshaus "im Kinsky" versteigert. Es wird ein Rekordergebnis erwartet.
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Die letzten Vorbereitungen für die Versteigerung von Gustav Klimts Bildnis Fräulein Lieser im Palais Kinsky laufen auf Hochtouren. Die Technik wurde mehrmals gecheckt, Sesseln im Saal verteilt, rund 30 Medien aus dem In- und Ausland akkreditiert, Zonen für die TV-Stationen und Positionen für die Fotografen festgelegt. Eine Dimension, die in der Geschichte des Auktionshauses "im Kinsky" schon mal ihren Vergleich sucht.

Der Schätzwert des Gemäldes beläuft sich auf 30 bis 50 Millionen Euro, die Geschäftsführung liebäugelte zwischendurch sogar mit 70 Millionen Euro. Einerlei, in welcher Höhe der Zuschlag am frühen Mittwochabend erfolgen wird, es wird der bisher höchste je bei einer Auktion in Österreich erteilte sein.

Rund 13.000 Personen zählte man allein bei der Besichtigung im Vorfeld, und aktuell rechnet man mit enormem Publikumsandrang. Wer sich keine Sitzplatzkarte organisiert hat, bekommt keinen Zutritt in den Auktionssaal und muss mit den Livestreams vorliebnehmen. Spontaninteressierten bietet sich als Alternative die Livesendung bei Puls 24 (ab 16 Uhr) an, in der Expertinnen und Experten zu Wort kommen. Ob dort offene Fragen rund um die Provenienzgeschichte und die Identität der Dargestellten geklärt werden, über die DER STANDARD berichtete, muss eine Mutmaßung bleiben.

Um Klärung bemüht

Gesichert ist, dass diesem Rekordereignis für den hiesigen Marktplatz ein dunkles Kapitel in der Geschichte unseres Landes vorausging, im Zuge dessen ganze Sammlungen oder einzelne Kunstwerke in der NS-Zeit beschlagnahmt, in irgendeiner Form entzogen oder Gegenstand nichtiger Rechtsgeschäfte wurden.

Seit nunmehr 25 Jahren bemüht sich die Provenienzforschung hierzulande um die Klärung solcher Fälle: hauptsächlich für Kunst in öffentlichen Beständen, seltener um jene in Privateigentum. Denn das österreichische Kunstrückgabegesetz (1998) ist auf Privatbesitz nicht anwendbar. Private Vergleiche mit Erbengemeinschaften sind über die Jahre eine große Ausnahme geblieben – auch in all den Ländern ohne Restitutionsgesetzgebung.

Zumeist werden sie im Vorfeld eines Verkaufs Thema, wenn sich über Recherchen der Auktionshäuser Verdachtsfälle konkretisieren und dann zwischen Einbringern und Erbengemeinschaften vermittelt wird. Oder die Vergleiche werden unter Anwälten der Parteien verhandelt, die sich auf einen Verkauf und die anschließende Teilung des Erlöses verständigen.

Selten, aber doch war das in den vergangenen Jahren auch bei Werken Gustav Klimts der Fall, befeuert von der Wertsteigerung seines Œuvres. Die Zäsur in der Marktbewertung bescherte die Rückgabe von fünf Klimt-Werken aus der Sammlung Bloch-Bauer (zuvor Belvedere) 2006: Deren vier wurden bei Christie’s für 193 Millionen Dollar versteigert, die Goldene Adele fand über einen Privatverkauf für 135 Millionen Dollar in Ronald S. Lauders Neuer Galerie New York eine neue Heimat.

Ein Puzzle als Trost

Im Windschatten der Restitutionen aus öffentlichem Besitz gerieten Privatsammler unter Druck, zumal, wenn sich über neue Provenienzforschungen ein Entziehungskontext nachweisen ließ. Nicht immer war dieser so eindeutig dokumentiert, wie er von Kritikern beim Bildnis Fräulein Lieser gefordert wird. Der Vergleich im Vorfeld gibt dem Käufer oder der künftigen Besitzerin jedenfalls Rechtssicherheit.

Die Gemeinsamkeit aller österreichischen Restitutionsvergleiche, nicht nur im Fall von Werken Gustav Klimts: Für alle genehmigte das Bundesdenkmalamt die Ausfuhr, orientiert am Kunstrückgabegesetz, laut dem Denkmalschutzbestimmungen auf restituierte Kunstwerke und Objekte nicht anwendbar sind. Als Trost für einen Trennungsschmerz hat Piatnik für die Fans des Bildes eben ein 1000-teiliges Puzzle mit dem Bildnis Fräulein Lieser aufgelegt. (Olga Kronsteiner, 24.4.2024)