Wien – Für Teile der Bevölkerung waren die Arbeiterkammer-Wahlen in den vergangenen Tagen der erste Urnengang im diesjährigen Superwahljahr, doch die Beteiligung daran hielt sich in Grenzen. Im Burgenland, Niederösterreich und in Wien, wo die Wahlen am 23. April zu Ende gingen, gaben weniger als 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Die Wahlbeteiligung lag im Burgenland bei enttäuschenden 33 Prozent. In Niederösterreich war sie mit 34,5 Prozent nur unwesentlich höher. Wien mit 40 Prozent schnitt in der Ostregion vergleichsweise noch am besten ab. Bereits zu Jahresbeginn waren Tirol, Vorarlberg, Kärnten und Oberösterreich an der Reihe – und auch dort gingen nur etwas mehr als ein Drittel der Stimmberechtigten wählen.

Die Bemühungen der Arbeiterkammer mit Postwürfen, unzähligen Plakaten und der Möglichkeit für etliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im eigenen Betrieb wählen zu können, schlugen also auch heuer wieder zum Teil fehl. Doch warum war die Beteiligung so gering, obwohl in den Bundesländern über drei Millionen Menschen berechtigt waren, bei den Wahlen ihre Stimme abzugeben?

Am Mittwoch wurden unter anderem in Wien die Stimmen ausgezählt.
Regine Hendrich

Im Gegensatz zu den EU- und Nationalratswahlen genießen die Wahlen der Arbeitervertretung vor allem weniger Aufmerksamkeit im öffentlichen Diskurs, erklärt Politikberater Thomas Hofer: "Die Medienpräsenz ist nicht so hoch wie bei anderen Wahlen. Somit werden auch weniger Menschen erreicht." Zudem sei auch die Brisanz bei der Arbeiterkammer-Wahl nicht mit Nationalratswahlen zu vergleichen. "Schon im Vorhinein war mit hoher Wahrscheinlichkeit klar, dass die FSG in den allermeisten Bundesländern die Wahl gewinnen wird. Wenn sich der Wahlausgang schon vor der Auszählung recht gut vorhersagen lässt, zieht das auch weniger Personen an."

Gebe es ein realistisches Match zwischen zwei Fraktionen, würde das auch mehr Personen für die Wahl begeistern. Doch große inhaltliche Konflikte seien im Wahlkampf für die Arbeiterkammer-Wahl kein Thema gewesen. "Dramatische Unterschiede zwischen den wahlwerbenden Listen gab es nicht wirklich. Das ist möglicherweise auch ein Faktor, warum sich das Interesse in Grenzen hielt", sagt Hofer im Gespräch mit dem STANDARD. In Zusammenhang mit der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Politik will der Politologe die Wahlbeteiligung aber nicht bringen, denn die Arbeiterkammer sei eine jener politischen Organisationen in Österreich, die am meisten Vertrauen genießen.

In der Ostregion gaben knapp zwei Drittel der Stimmberechtigten ihre Stimme nicht ab.
Regine Hendrich

Chancen zur Mobilisierung

Schon bei den vergangenen Arbeiterkammer-Wahlen im Jahr 2019 hielt sich die Wahlbeteiligung in Grenzen – vor fünf Jahren war noch Türkis-Blau unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Amt. Gerade damals hätte die Arbeiterkammer laut Hofer aber Chancen zur Mobilisierung gehabt: "Großes Thema damals war die Arbeitszeitflexibilisierung, also der Zwölf-Stunden-Arbeitstag vonseiten Türkis-Blau. Hier hätten Kandidaten bewusst die Wahl als Protest gegen die damals amtierende Bundesregierung auslegen können."

Wenn es ein emotionales Thema gebe, dann könne die Wahlbeteiligung bei den Arbeiterkammer-Wahlen deutlich ansteigen – dies war aber heuer auch nicht der Fall. Insofern hätte sich die AK wohl den aktuellen Vorstoß in Richtung einer Ausdehnung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden vonseiten der Industriellenvereinigung im und nicht nach dem Wahlkampf gewünscht, meint Hofer.

Die Wahlbeteiligung wird auch bei den kommenden EU-Wahlen und Nationalratswahlen Thema sein, denn das Vertrauen in die Politik ist so gering wie selten zuvor. Frust mit der Politik muss aber nicht unbedingt zu einer niedrigen Beteiligung führen. "Bewegungen wie die Bierpartei oder die KPÖ können durchaus Protest- und frühere Nichtwähler anziehen und dadurch auch die Beteiligung steigern", erklärt Hofer. Die Wahlbeteiligung bei der letzten EU-Wahl lag knapp bei 60 Prozent – bei der Nationalratswahl 2019 lag sie bei 75 Prozent, was den zweitniedrigsten Wert in der Zweiten Republik bedeutete. (Max Stepan, 25.4.2024)