Das Bild zeigt das Bundesministerium für Finanzen
Mithilfe spezieller Algorithmen unterstützt das PACC schon seit Jahren die Arbeit des Bundesministeriums für Finanzen.
IMAGO/CHROMORANGE

Seit dem Hype um Künstliche Intelligenz (KI) wird sie in der Öffentlichkeit auch oft im Zusammenhang mit betrügerischen Aktivitäten thematisiert. Formen Künstlicher Intelligenz können aber durchaus auch dazu dienen, Betrug gezielt zu bekämpfen. Ein recht gut verborgenes Beispiel dafür ist das Predictive Analytics Competence Center (PACC). Die Spezialeinheit des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen (BMF) nutzt fortschrittliche Technologien des maschinellen Lernens, um Steuerhinterziehung und Zollbetrug aufzudecken und einzudämmen. Und spart damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schon seit Jahren Millionen Euro ein, wie sie selbst behaupten.

Ins Leben gerufen wurde PACC bereits im Jahr 2016 – mit dem Ziel, spezialisierte Datenanalysen innerhalb der Steuerverwaltung durchzuführen. Die Einheit konzentriert sich auf das Risikomanagement und die Risikoanalyse und will damit maßgeblich zur Steuergerechtigkeit beitragen, wie PACC-Leiter Christian Weinzinger dem STANDARD im Gespräch verrät.

"Bei der Methodik, die wir betreiben, geht es darum, aus historischen Daten Muster abzuleiten und diese Muster einem mathematischen Modell mitzugeben, damit diese Muster auch bei neuen Fällen wiedererkannt werden können", sagt Weinzinger. Durch die Nutzung von Predictive Analytics und maschinelles Lernen analysiert das PACC große Mengen an Daten, um potenzielle Betrugsfälle zu identifizieren. Dies umfasst die Auswahl von Betriebsprüfungen, die Plausibilitätsprüfung von Steuererklärungen, aber auch die Bewertung von Neugründungen.

Ein Kernbereich, in dem das PACC aktiv ist, ist die Ex-Post-Prüfung, bei der nach Eingang einer Steuererklärung und Ausstellung des Steuerbescheids eine Risikobewertung erfolgt. Dies kann zu weiterführenden Betriebs- oder Lohnabgabenprüfungen führen. Zudem werden auch Echtzeitrisikobewertungen durchgeführt, wenn Steuererklärungen online eingereicht werden. Eine Plausibilitätsprüfung erfolgt sofort bei der Abgabe und hilft, Unstimmigkeiten aufzudecken, bevor sie zu einem finanziellen Schaden führen können.

Regelmäßiges Training und viele Daten gegen Bias

Laut Weinzinger basieren die Trainingsdaten für die Modelle des PACC hauptsächlich auf umfangreichen internen Datenbanken des BMF, einschließlich aller Steuererklärungen, Bescheide, Beilagen sowie Prüfungsmaßnahmen und deren Ergebnissen. Zur Anreicherung der Trainingsdaten werden zudem Informationen aus öffentlichen externen Registern und EU-Datenbanken hinzugezogen.

Trainiert werden die Modelle des PACC nicht in Echtzeit, sondern in regelmäßigen Abständen von sechs bis zwölf Monaten, um die Konsistenz und Fairness der Steuerprozesse zu gewährleisten. Die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der durch KI generierten Vorhersagen wird durch eine strenge Qualitätssicherung überwacht. Dazu gehört die Aufteilung der Daten in Trainings- und Testsets sowie zahlreiche Qualitätssicherungsschleifen in Zusammenarbeit mit Fachexpertinnen und -experten des BMF. Diese Prozesse sind entscheidend, um eventuelle Verzerrungen (Biases) in den Modellen zu minimieren und die Integrität der Vorhersagen zu sichern.

Weinzinger betont dabei die Wichtigkeit, historische Daten sorgfältig zu nutzen und Biases zu vermeiden, indem man eine große Menge an Daten verwendet und diese gut kontrolliert. Viele potenziell biasrelevante Daten würden erst gar nicht verwendet. "Und generell sind alle Daten pseudonymisiert – wir haben zu jedem Datensatz nur eine Nummer, wir wissen also zum Beispiel nicht, wer das ist, und wissen nicht, wo diejenige Person wohnt, und das interessiert uns auch nicht", ergänzt der PACC-Leiter.

Was der AI Act, der Gesetzesentwurf der EU zur Regulierung der Verwendung und des Einsatzes von KI, für dieses System bedeuten wird, ist noch ungewiss. Weinzinger betont auf Nachfrage die Schwierigkeiten bei der Einschätzung der zukünftigen Implikationen dieses Gesetzes, da die endgültige Umsetzung in nationales Recht noch aussteht und die Definition von KI im Gesetzestext von "extrem schmal" bis "extrem breit" sehr stark variieren könne. Aufgrund dieser Unklarheiten ist es für das PACC momentan nicht seriös abzuschätzen, in welche Risikostufe ihr Modell fallen wird und welche spezifischen Anforderungen oder Änderungen sich daraus für ihre Arbeit ergeben könnten.

Der Mensch entscheidet

Im Gespräch mit Weinzinger wird jedenfalls klar, dass hinter PACC kein selbstständig agierendes und beurteilendes System steckt, sondern "nur" eine Abteilung mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dem BMF ein laufend aktualisiertes Tool zur Entscheidungsunterstützung bereitstellen. Es identifiziert Fälle mit potenziell unplausiblen Sachverhalten oder erhöhtem Risiko, die dann in Form von Vorschlägen an das Personal weitergeleitet werden.

Die endgültige Entscheidung über die Überprüfung eines Falls und die zu untersuchenden Bereiche liegt jedoch ausschließlich bei den menschlichen Mitarbeitern. "Nur weil das System einen Vorschlag oder einen Hinweis gibt, hat man noch lange keine Garantie, dass der Fall überhaupt geprüft wird, und auch nicht, dass etwas dabei herauskommt", sagt Weinzinger in diesem Zusammenhang.

Vorbildfunktion inklusive

Und wie lässt sich das nun alles beziffern? Frühere Datenanalysen haben untersucht, welche der vom System vorgeschlagenen Fälle tatsächlich geprüft wurden und was das Ergebnis dieser Prüfungen war, wodurch der Nutzen des Systems in der Vergangenheit bewertet wurde. Dabei kam heraus, dass das PACC bis zum Jahresende 2022 bereits rund 540 Millionen Euro einbringen konnte. Aktuellere Zahlen würden derzeit leider noch nicht vorliegen.

Mit solchen Eckdaten macht das PACC dennoch schon Schule in Europa. Im Vergleich zu anderen Ländern, die erst kürzlich mit ähnlichen Systemen begonnen haben oder sich noch in der Entwicklungsphase befinden, ist Österreich auch seit sieben Jahren damit im Produktiveinsatz. Das PACC übernimmt daher nicht zuletzt eine gewisse Lehrfunktion für Finanzverwaltungen anderer EU-Mitgliedsstaaten, die regelmäßig auf Working-Visits zu Besuch kommen würden, um von den österreichischen Erfahrungen zu lernen.

Wie gut sich Österreich auf diesem Gebiet schlage? "Gemeinsam mit Holland und Schweden zählen wir wahrscheinlich zu den top drei in Europa", antwortet Weinzinger schließlich auf eine Frage, die ihm wohl auch in Zukunft noch oft gestellt werden wird. (Benjamin Brandtner, 25.4.2024)