Menschenmassen in Venedig: Mit dem neu eingeführten Tagesticket will die Stadtregierung die Touristenströme besser lenken.
Menschenmassen in Venedig: Mit dem neu eingeführten Tagesticket will die Stadtregierung die Touristenströme besser lenken.
IMAGO/nordphoto GmbH / Straubmei

Jahrelang wurde darüber diskutiert, am 25. April 2024, einem italienischen Nationalfeiertag und passenderweise auch noch Namenstag des Heiligen Markus, Schutzpatron der Stadt, ist es so weit: Wer ein paar Stunden in Venedig verbringen will, muss ab jetzt zahlen.

Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen rund um das neue, nicht unumstrittene Gebührensystem für Tagestouristen in der Lagunenstadt, das vielfach als "Experiment" bezeichnet wird: Immerhin ist es weltweit beispiellos.

Video: Venedig startet Eintrittsgebühr für Tagestouristen.
AFP

Frage: Was will Venedig mit dem neuen Gebührensystem erreichen?

Antwort: Durch diese Maßnahme sollen Urlauberströme besser gelenkt werden können. Denn die Lagunenstadt leidet unter Overtourism. An manchen Tagen sind mehr als 100.000 Touristinnen und Touristen unterwegs. Alles in allem waren es vergangenes Jahr um die 15 Millionen. Zum Leidwesen der Einwohnerinnen und Einwohner: Aktuell leben noch rund 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Altstadt, die meisten davon im Rentenalter. Vor ein paar Jahrzehnten waren es noch 175.000. Dafür gibt es mehr als 50.000 Gästebetten. Schon jetzt, weit vor der Hochsaison, ist in den engen Gassen rund um Markusplatz und Rialtobrücke kaum noch ein Durchkommen. Andere Städte wie Barcelona, Dubrovnik oder Amsterdam, die ebenfalls Probleme mit Overtourism haben, werden sich dieses "Experiment" genau ansehen: Es ist weltweit das erste Mal, dass eine Stadt Eintritt verlangt.

Frage: Wer muss überhaupt Eintritt zahlen?

Antwort: Die Gebühr richtet sich ausschließlich an Tagestouristinnen und -touristen: Alle Besucher, die zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr in die Lagunenstadt wollen, müssen die Sonderabgabe ("Contributo di Accesso a Venezia") von fünf Euro zahlen. Zwischen 16 Uhr und 08.30 Uhr entfällt die Eintrittsgebühr.

Frage: Wie kommt man zu einem Tagesticket?

Antwort: Tagestouristen müssen im Vorfeld im Internet einen QR-Code erwerben und auf das Handy laden. Zudem müssen sie sich auf der von der Gemeinde eingerichteten mehrsprachigen Website www.cda.ve.it ihre Eintrittskarte besorgen, die fünf Euro kostet. Gezahlt wird mit Kreditkarte oder Paypal. Das Ticket kann auch in Trafiken erworben werden. Noch vor dem Start haben sich mehr als 130.000 Leute bereits einen Code besorgt. Der Tourismus-Assessor Venedigs, Simone Venturini, betonte, dass es nicht darum gehe, die Stadt abzuschotten, und dass man keine Obergrenzen für die Vergabe von QR-Codes an den jeweiligen Tagen einführen werde.

Das Ticket beinhaltet den Zutritt zum antiken Stadtteil.
Das Ticket beinhaltet den Zutritt zum antiken Stadtteil.
Eberhard Thonfeld via www.imago-

Frage: Wird das Eintrittsgeld jeden Tag erhoben?

Antwort: Nein. Das Eintrittsgeld wird an insgesamt 29 Tagen im Jahr 2024 erhoben: vom 25. bis 30. April, vom 1. bis 5. Mai und an allen übrigen Wochenenden (samstags und sonntags) bis zum 13. und 14. Juli. Davon ausgenommen ist das Wochenende zum Tag der Republik (1. bis 2. Juni), einem weiteren Nationalfeiertag in Italien.

Frage: Wo gilt das Ticket genau?

Antwort: Die Gebühr gilt nur für den antiken Stadtteil. Vom Zugangsbeitrag ausgenommen sind: das gesamte Festland, die kleineren Inseln Murano, Burano und Torcello, Tronchetto und die Hafenanlegestelle. Darüber hinaus sind die Bereiche Piazzale Roma, Fondamenta Santa Chiara, Fondamenta Santa Lucia und San Giobbe ausgenommen.

Frage: Welche Personen sind vom Tagesticket ausgenommen?

Antwort: Einheimische und in Venedig geborene Personen, Immobilienbesitzer (auch wenn sie nicht in Venedig wohnen), Studierende sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen kein Eintrittsgeld zahlen. Für Kinder unter 14 Jahren, Behinderte und Begleitpersonen besteht zwar eine Buchungs-, aber keine Zahlungspflicht. Übernachtungsgäste, die mindestens eine Nacht in einer Unterkunft in Venedig verbringen, sind von der Gebühr ebenfalls befreit. Übernachtungsgäste bekommen den Code normalerweise vom Hotel oder vom Vermieter umsonst. "Wichtig zu beachten ist, dass sich Übernachtungsgäste, sofern sie keinen QR-Code von der Unterkunft erhalten, auch selbst registrieren müssen – wird Name und Adresse der gebuchten Unterkunft angegeben, entfällt die Gebühr, und sie erhalten ebenfalls einen QR-Code", erklärt dazu der ÖAMTC.

Frage: Wie wird kontrolliert?

Antwort: Der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, verspricht "sehr sanfte Kontrollen", die eher stichprobenartig ausfallen und auf keinen Fall zu Warteschlangen führen sollen. Es werden keine Drehkreuze, sondern mehrere Tore aufgestellt, die es ermöglichen, den Großteil der Touristen abzufangen. Kontrolliert wird insbesondere am Bahnhof und an den wichtigsten Anlegestellen der Boote wie dem Markusplatz.

Ein touristischer Hotspot in der Lagunenstadt: die Rialtobrücke.
Ein touristischer Hotspot in der Lagunenstadt: die Rialtobrücke.
IMAGO/www.viennaslide.com

Frage: Was passiert, wenn man ohne Ticket erwischt wird?

Antwort: Wer ohne Ticket unterwegs ist, muss mit Strafen zwischen 50 und 300 Euro rechnen.

Frage: Verdient Venedig etwas mit der Gebühr?

Antwort: Diese Frage beantwortet der Bürgermeister so: "Es geht nicht darum, Kasse zu machen. Die Aktion kostet mehr, als wir einnehmen. Erstes Ziel ist es, die Stadt zu schützen und wieder lebenswert zu machen." Experten kamen beim Nachrechnen ebenfalls zu dem Schluss, dass die erwarteten Einnahmen gerade ausreichen, um die nötige Infrastruktur und die Kontrollen zu finanzieren. Bislang bliebe also gar nichts übrig, um – wie einst versprochen – mit dem Geld Kanäle, Straßen und Gebäude zu sanieren. Die Eintrittskarte für Tagestouristen findet zumindest bei den Hoteliers Zustimmung. "Es ist inakzeptabel, dass die einzige Steuer für Besucher die Touristensteuer ist, die nur Personen zahlen, die in Hotels übernachten", sagte Vittorio Bonacini, Präsident des venezianischen Hotelierverbands (AVA). Für Bonacini sei die Erprobung des Beitrags "eine komplexe Herausforderung", mit der die Hoteliers jedoch vollkommen einverstanden seien.

Frage: Wird sich der Preis für das Ticket in den kommenden Jahren erhöhen?

Antwort: Eine berechtigte Frage, der die Feststellung vorausgeht, dass ein Venedig-Trip an sich schon recht teuer ist: Warum sollte sich in einer Stadt mit teils irrwitzigen Preisen jemand von fünf Euro abschrecken lassen? Im Caffè Florian am Markusplatz kostet der Cappuccino inzwischen zwölf Euro. Der Abendtarif für eine halbe Stunde Gondelfahrt liegt bei 110 Euro. Offiziell ist alles bislang nur ein Versuch: Über den 14. Juli hinaus gibt es noch keine Termine. Doch kaum jemand erwartet, dass die einmal eingeführte Gebühr rückgängig gemacht wird, wenn das alles halbwegs funktioniert. Wahrscheinlicher ist, dass künftig an mehr als 29 Tagen Geld verlangt wird, und dann möglicherweise auch gestaffelt nach Belastung. Bürgermeister Brugnaro deutete das auch schon an: "Am Ende des Jahres werden wir Bilanz ziehen und unser Ziel anpassen, indem wir die Preise für die meistgebuchten Termine vielleicht anheben." Vielleicht werden für Venedig dann keine fünf Euro mehr fällig, sondern zehn, zwanzig oder mehr. (Markus Böhm, 25.4.2024)