Gustav Klimts
Gustav Klimts "Bildnis Fräulein Lieser" hat weniger eingebracht als erhofft.
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Vom Aufruf bis zum Zuschlag vergingen nur wenige Minuten, ein einziges Gebot in der Höhe von 30 Millionen Euro besiegelte am frühen Mittwochabend den Verkauf von Gustav Klimts Bildnis Fräulein Lieser bei "im Kinsky". Bewilligt an eine Saalbieterin, konkret Patti Wong, die nach drei Jahrzehnten bei Sotheby’s Ende 2022 gemeinsam mit ihrem Kollegen Daryl Wickstrom eine Kunstberatungsfirma mit Sitz in Hongkong gründete.

Für wen sie ihr Bietertäfelchen zückte? Für einen Sammler aus Hongkong, der anonym bleiben möchte. Jedenfalls nicht stellvertretend für Rosaline Wongs "Home Art", wie dem STANDARD bestätigt wurde. Home Art nennt bekanntlich bereits die Klimt-Werke Adele Bloch-Bauer II und Wasserschlangen II ihr Eigen, die zuletzt bei Ausstellungen in Amsterdam und im Belvedere als Leihgaben gastierten. Für das Bloch-Bauer-Porträt hatte man Oprah Winfrey vor ein paar Jahren 150 Millionen Dollar hingeblättert, dem Oligarchen Dmitry Rybolowlew wiederum deren 170 Millionen Dollar für das andere Bild.

Daran bemessen war Fräulein Lieser mit einem Kaufpreis von umgerechnet 37,5 Millionen Dollar (inkl. Aufgeld) jedenfalls ein Schnäppchen. Obwohl unvollendet und deshalb unsigniert geblieben, hat das Spätwerk aus dem Jahre 1917 sein wahres Potenzial nicht ausgeschöpft.

Video: Klimt-Auktion: "Fräulein Lieser" um 30 Mio Euro zugeschlagen.
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Angespannte Marktsituation

Auf die Frage, warum dies so ist, gibt es wohl mehrere Antworten: Die lückenhafte Provenienzrecherche des Auktionshauses ist nur eine Teilantwort, da der Restitutionsvergleich der interessierten Käuferschaft dennoch Rechtssicherheit gewährleistet. Die von Tobias Natter, einem der Klimt-Experten, angeführte Kampagne, die sich durch den österreichischen, italienischen, britischen und deutschen Boulevard fraß, mag auch nicht gerade hilfreich gewesen sein.

Ein anderer Aspekt ist die gegenwärtig angespannte Marktsituation. Seit November haben Häuser wie Christie’s und Sotheby’s mangels Interesse ihrer Klientel im Vorfeld teils nur wenige Stunden vor ihren Auktionen Hochkarätiges zurückgezogen: sowohl in London als auch in New York und zuletzt Hongkong.

In Wien soll es zumindest drei potenzielle Käufer für das offiziell auf bis zu 50 Millionen Euro taxierte Klimt-Bild gegeben haben, die, den offiziellen Vorgaben des Auktionshauses folgend, bei ihrer Registrierung eine Sicherheit in Höhe von fünf Millionen Euro in Form einer Bankgarantie oder eine vergleichbare Besicherung vorzuweisen hatten. Noch vor Beginn der Auktion hatten sich am späten Nachmittag zwei der drei angemeldeten Bieter zurückgezogen, gerüchteweise soll darunter auch ein vermögender Sammler aus Deutschland gewesen sein.

Potenzieller Münchner Erbe

Ob es hier einen Zusammenhang mit einem neu aufgetauchten Erben gibt, der beim Bundesdenkmalamt und bei "im Kinsky" am Dienstag Ansprüche deponierte, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) kurz vor der Auktion vermeldete, wird sich weisen.

Entgegen anderslautenden Berichten wurde der Restitutionsvergleich nicht mit dem Auktionshaus, sondern nur zwischen dem Verkäufer und den Erbengemeinschaften nach Adolf Lieser und seiner Schwägerin Lilly Lieser abgeschlossen. Üblicherweise bekunden Erben in solchen Verträgen, sämtliche in Betracht kommende Rechtsnachfolger zu vertreten. Sollte ein weiterer Anspruchsberechtigter auftauchen, dann gilt es, das innerhalb der Familie zu klären.

Auf Nachfrage bei den Anwältinnen der beiden Erbengruppen war aktuell lediglich in Erfahrung zu bringen, dass die weitere Vorgehensweise mit den Mandanten besprochen werde. STANDARD-Informationen zufolge handelt es sich nicht um einen Verwandten, aber um einen potenziell Erbberechtigten der Rechtsnachfolger von Adolf Lieser. In einem Telefonat bestätigt der in München lebende Architekt, über den Fall erst durch den SZ-Bericht Ende vergangener Woche erfahren zu haben.

Gastspiel im Belvedere

Das Gemälde selbst? Das kannte er gar nicht, wie er im STANDARD-Gespräch betont. Seine Tante, in zweiter Ehe seit 1960 mit Margarethe Constanze Liesers Bruder Hans verheiratet, war übrigens jene, der die Fachwelt die Zuschreibung an Margarethe verdankt. Das war Mitte der 1980er-Jahre, als andere Zeitzeugen bereits verstorben waren: sowohl Margarethe (1965) als auch ihr Bruder Hans (1975), deren Cousinen Helene (1962) und Annie (1972) ebenso.

Danach begann auch Margarethes Sohn William de Gelsey mit der Suche. Warum er das Bild nie bei "Art Loss" oder "Lost Art" als Verlust meldete? Das bleibt eines der ungelösten Rätsel. Eine entsprechende Empfehlung für diese Standardprozedur dürfte es weder vom Belvedere noch vom Klimt-Experten Alfred Weidinger gegeben haben, der sich wiederum seit 2008 um eine Auffindung des Bildes bemüht haben soll.

Auf die Idee, eine Provenienzforschung zu beauftragen, waren die Involvierten offenkundig nie gekommen. Wie die jüngsten STANDARD-Recherchen nachwiesen, wäre das vermeintlich verschollene Fräulein Lieser nicht gar so schwer zu finden gewesen. Bevor es nach Hongkong entschwindet, hoffen Herr und Frau Österreicher noch auf ein Gastspiel im Belvedere. (Olga Kronsteiner, 25.4.2024)