Heinrich Prokop ist seit Jahren Juror in der Puls-4-Start-up-Show "2 Minuten, 2 Millionen". Der Investor lebt auf dem Firmengelände der Gutschermühle, die er einst leitete, und genießt die stille Abgeschiedenheit.

"Ich bin kein Architekt, habe kein wirklich gutes räumliches Vorstellungsvermögen, der Erker ist zugegebenermaßen a bit old-fashioned, aber nachdem meine Frau Brigitte so ein perfektes Gespür fürs Einrichten hat und die besten Flohmärkte kennt, liebe ich dieses Haus einfach und fühle mich hier wahnsinnig wohl. Hinter uns am Fensterbrett lehnt so ein Taferl, das uns unsere Tochter Sina geschenkt hat, bevor sie nach Costa Rica geflogen ist: 'Zuhause, der wunderbarste Ort, an dem das Herz Wurzeln schlägt.' Ein bissl kitschig das Sprücherl, aber auch sehr, sehr wahr.

Familiäre Idylle im Fertigteilhaus: Heinrich Prokop mit Frau Brigitte und Tochter Sina im Wohnzimmer.
Lisi Specht

Wir wohnen hier direkt auf dem Firmengelände der sogenannten Gutschermühle, die an diesem Standort erstmals 1158 urkundlich erwähnt wurde. Mein Großvater hat hier gewohnt, sogar noch viel näher am Geschehen, direkt neben der Lkw-Einfahrt, meine Eltern haben sich hier ein Haus gebaut, vorn am Bacherl, und dann, irgendwann rund um 1995, haben auch wir uns unser Fertighaus hinstellen lassen.

Fertighaus, weil, wie gesagt, ich und Architektur, das geht einfach nicht zsamm. Mit dem Fertighaus hingegen ist man alle Sorgen los, paar Wochen später steht das Ding, and that's it.

Lisi Specht

Als ich die Gutschermühle 2009 verkauft hab, stand zur Diskussion: Ziehen wir weg? Oder bleiben wir da? Die Vorteile haben einfach überwogen: Es ist mucksmäuschenstill, das Haus steht direkt hinter der Fabrik, es gibt nur Wind und Vogelgezwitscher, manchmal hoppeln Hasen und watscheln Enten übers Grundstück, immer wieder steht plötzlich ein Reh vor dem Küchenfenster, und die ganze Zeit weht ein Lüfterl aus der Müslifabrik hierher, es riecht nach Schoko, Nüssen und Erdbeeren, und jeden Tag anders. Was will man mehr! Also sind wir geblieben.

Wir wohnen hier in Traismauer, mitten im Tullnerfeld, Nähe Donau, und leider, leider hab ich mir damals nix dabei gedacht, als ich eine Art Gipskartonkartenhaus mitten ins Überschwemmungsgebiet hineingesetzt hab. War wohl nicht ganz zu Ende gedacht. Eines Tages ist die Traisen über die Ufer getreten, wir weilten gerade ganz unbeschwerlich auf Urlaub in England, und dann ruft mich mein Vater an und sagt: 'Du, wenn das Wasser noch ein bissl weiter steigt, dann müssen wir euer Haus opfern, damit die Fabrik nicht absauft.' Aber gut, we were lucky, wir hatten ein paar Millimeter Glück.

Lisi Specht

Was das Opfern betrifft, so musste diese eigentlich schöne Gegend in den letzten Jahrzehnten ohnehin viel zu viele Opfer bringen. Die schönen Häuser und Dorfkerne, die tollen Lokale und eigentümergeführten Geschäfte, aus und vorbei, stattdessen bauen sich regionale Dorfkaiser, so wie der da drüben am anderen Donauufer, ihre kleinen Mini-Dubai-Immobilienparadiese. Was auf dem Land passiert, ist symptomatisch dafür, wie verrückt und nicht nachhaltig wir alle gerade handeln.

Lisi Specht

Ich sehe die mittelfristige Zukunft nicht nur positiv. Wir haben die Klimakatastrophe, wir bekriegen uns an sämtlichen Fronten, wir steuern auf einen weltweit politischen Irrsinn zu, und irgendwann einmal wird irgendeiner von all den Irren etwas noch Verrückteres machen als alle anderen, und davor fürcht ich mich schon ein wenig. Wir leben in einer Epoche, in der sich die Points of no return nur so überschlagen, und manchmal frage ich mich ernsthaft, welche Welt ich meiner Tochter überlasse. Eine Schande!

Lisi Specht

Das ist jetzt aber kein schönes Ende für dieses Gespräch. Jetzt muss ich noch was Positives zum Abschluss sagen. Also: Privat und ganz persönlich wünsch ich mir keine Überschwemmung und dass ich die Dinge im Moment vielleicht doch ein wenig zu schwarz sehe. Noch privater wünsch ich mir, dass ich mir meinen Elan erhalte und weiterhin viele, viele nachhaltige Start-ups werde begleiten können. Denn das Letzte, was ich will, just saying, ist, mich eines Tages mit ausgehauchter Lebensenergie auf einem Golfplatz zu langweilen. Sicher nicht!" (PROTOKOLL: Wojciech Czaja, 29.4.2024)