Wien/Brüssel – Die Rückforderung von zu Unrecht bezogenen EU-Förderungen dauert zu lang und ist vor allem außerhalb der Europäischen Union bisweilen erfolglos. Bei einem von der EU in Afrika geförderten Projekt stellten die Prüfer fest, dass Ausgaben vorschriftswidrig erfolgten und Belege fehlten. Die für die Durchführung zuständige Einrichtung erklärte, die befassten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hätten das Projekt vor vier Jahren abgeschlossen, die fehlenden Unterlagen seien nicht mehr auffindbar – obwohl Ausgabenbelege fünf Jahre lang aufzuheben sind.

Das Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel von außen betrachtet 
Wie die Außenansicht des Europäischen Parlaments in Brüssel sind auch die Abläufe in Brüssel: umfangreich, bürokratisch und kompliziert.
Foto: Imago Images / Dwi Anoraganingrum

Fälle wie dieser sind keine Seltenheit, attestiert der Europäische Rechnungshof (EuRH) nach einer umfassenden Prüfung der Systeme und Verfahren, mit denen die EU-Kommission versucht, regelwidrig vereinnahmte Fördermillionen zurückzubekommen. Bisweilen existierten die mit der Durchführung von Förderprojekten beauftragten NGOs zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr oder hatten kein Geld mehr, und die EU-Kommission musste die Beträge wegen Uneinbringlichkeit abschreiben.

Aber nicht immer liegt das Versagen allein an den Vertragspartnern außerhalb der EU. Teils steht sich die Kommission mit ihren Regularien selbst im Weg. In einem vom EuRH beispielhaft skizzierten Fall attestierten die von der EU beauftragten Prüfer, dass fast 20 Prozent der geltend gemachten Ausgaben nicht förderfähig waren, weil sie nicht mit dem Rahmenabkommen zwischen EU und Vereinten Nationen korrelierten. Obwohl die von der EU entsandten Prüfer von einem "systemischen Charakter" vorschriftswidriger Ausgaben ausgingen, durften sie innerhalb des Rahmenabkommens mit der Uno keine weiteren, über die Stichprobe hinausgehenden Kontrollen durchführen. Die Kommission konnte letztlich nur die erwiesenermaßen rechtswidrig verwendeten Fördermittel einziehen.

14 Milliarden Euro

Tiefergehende Kontrollen wären allerdings angebracht. Denn es geht um Milliarden an Steuergeld. Allein in den Jahren 2021 und 2022 wurden seitens der Kommission 411 Millionen Euro an Umweltförderungen vorschriftswidrig verwendet und eingezogen, listet der EuRH in seinem Bericht "Die Systeme der Kommission zur Einziehung vorschriftswidriger EU-Ausgaben" auf. Der Anteil falsch ausgegebener Mittel stieg zwischen 2021 und 2022 von drei auf 4,2 Prozent des Haushalts. Weitere 362 Millionen Euro an eingezogenen Millionen durften von den EU-Staaten im Rahmen anderer Förderschienen quasi wiederverwendet werden.

Den Gesamtbetrag der im Zusammenhang mit betrügerischen und nichtbetrügerischen Unregelmäßigkeiten gemeldeten vorschriftswidrigen Ausgaben gibt der EuRH für den EU-Haushalt 2014 bis 2022 auf Basis der von der EU-Betrugsbehörde Olaf ermittelten Daten mit 14 Milliarden Euro an. Davon 10,7 Milliarden entfielen auf große Budgetbrocken wie Kohäsionspolitik, Landwirtschaft und Fischerei, sie mussten die EU-Staaten wieder retournieren.

Zusätzlich kompliziert wird das EU-Kontrollsystem, weil selbiges nach Art der Förderung variiert. Für 70 Prozent des milliardenschweren EU-Haushalts, zu dem Agrar- und Kohäsionspolitik gehören, gibt es eine geteilte Mittelverwaltung. Dabei obliegt den Mitgliedsstaaten die Programmdurchführung, sie müssen gewährleisten, dass Ausgaben vorschriftskonform vergeben werden, und dies auch kontrollieren und gegebenenfalls Förderungen einziehen. Die Kommission prüft die Kontrollmechanismen und kann Finanzkorrekturen verfügen nach den Prüfkriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit.

Umständliche Rückforderung

Ein Fünftel des EU-Etats läuft unter dem Titel "Direkte Mittelverwaltung", dazu gehörten Megaprogramme wie "Horizon 2020", das vor vier Jahren ausgelaufene Forschungs- und Technologieprogramm.

Rund zehn Prozent des Etats werden nach außen vergeben und mit internationalen Organisationen, Nicht-EU-Ländern, der Europäischen Investitionsbank oder Agenturen wie der Europäischen Arzneimittelagentur abgewickelt. Hier ist das eingangs erwähnte Ausfallrisiko größer, weil die EU nicht im Wege der Betrugsbehörde Olaf, der Europäischen Staatsanwaltschaft oder nationaler Betrugsbekämpfungsbehörden einschreiten kann.

Wie fast alles in Brüssel dauert auch das Rückfordern unionswidriger Förderungen sehr lang, mindestens ein Jahr: Von der Prüfung eines Verdachtsfalls bis zur Erteilung einer Einziehungsanordnung dauert es bei der EU-Generaldirektion für Internationale Partnerschaften rund 23 Monate, bei der Generaldirektion für Nachbarschaft und EU-Erweiterung 18 Monate und bei der Generaldirektion Kommunikationsnetze und Technologien 14 Monate.

Die steigenden Ausfallraten machten eine effektive Wiedereinziehung von EU-Geldern dringlicher, mahnt der EU-Rechnungshof. Dass nur 20 Prozent des EU-Haushalts direkt von der EU-Kommission verwaltet werden, macht Rückforderungen bisweilen unmöglich, jedenfalls sind sie langwierig. Der EuRH schlägt vor, bewährte Anreize zur Effizienzsteigerung wieder einzuführen. Mitgliedsländer sollten die Hälfte jener Mittel, die sie innerhalb von vier bis acht Jahren nicht zurückgefordert haben, an die EU zurückzahlen müssen. (Luise Ungerboeck, 7.5.2024)