Dass der Hund heute als Familienmitglied betrachtet wird, ist nicht zuletzt seiner überragenden Spürnase zu verdanken. Wahrscheinlich streiften bereits vor mindestens 15.000 Jahren Menschen mit gezähmten Wölfen als Jagdgehilfen über die Tundren.

Heute sind Hunde "beruflich" in unterschiedlichsten Bereichen unterwegs: An den Grenzen sollen sie nach Drogen, Waffen oder Schmuggelware suchen, in Katastrophengebieten Verschüttete finden oder in der Medizin Krankheiten erschnüffeln. Umso verwunderlicher ist es, dass des Hundes beispiellose Fähigkeiten immer noch weitgehend ein Rätsel darstellen.

Border Collie
Die herausragenden Schnüffelfähigkeiten der Hunde halten für die Forschung immer noch Rätsel bereit.
Foto: AFP/ALAIN JOCARD

Rätselhafte "Superkraft"

Eine Ursache dieser "Superkraft" ist sicherlich die Zahl der Riechzellen in der Nasenschleimhaut. Beim Menschen sind es etwa fünf Millionen, Hunde besitzen dagegen rund 220 Millionen davon. Wie die Vierbeiner mit dieser Duft-Informationslawine umgehen, ist jedoch schwierig zu untersuchen. Hirnscans während des Schnupperns sind problematisch, denn die Prozedur stresst die Tiere häufig, was die Ergebnisse verfälscht und unbrauchbar macht.

Immerhin scheint es Unterschiede bei den Rassen zu geben, zumindest suggeriert dies die Aufgabenverteilung: Wenn es um das Erschnüffeln von Jagdwild oder Drogen geht, kommen in der Regel Rassen wie Beagle, Bloodhound, Schäferhunde und Deutsch Drahthaar zum Einsatz. Ein US-Forschungsteam ist dagegen anderer Meinung: Ihrer aktuelle Untersuchung stellt infrage, ob sich die verschiedenen Hunderassen tatsächlich in ihren Riechfähigkeiten unterscheiden.

Genetische ...

Die Gruppe um Deborah Bird von der University of California, Los Angeles, USA, analysierte zunächst 30 Hunderassen auf ihre genetischen "Riechausstattung". Konkret suchten die Forschenden nach Genen, die für die Geruchsrezeptoren zuständig sind. Die noch nicht in einem Fachjournal erschienenen Ergebnisse zeigten, dass im Vergleich zu wildlebenden Verwandten wie Wölfen und Kojoten Hunde deutlich weniger solcher geruchsspezifischen Gene besitzen.

Stellte man jedoch die verschiedenen Hunderassen einander gegenüber, so fand man keine signifikanten genetischen Unterschiede, kein grundsätzliches Muster, das die besonderen Riechleistungen von Spürhunden erklären würde. Als Nächstes untersuchte das Team die sogenannte Genexpression der verschiedenen Rassen: Die Forschenden sahen sich an, wie stark die geruchsverknüpften Gene tatsächlich abgelesen und in Proteine übersetzt werden. Auch hier fanden Bird und ihr Team keine rassespezifischen Unterschiede.

Belgischer Schäferhund schnüffelt
Der Belgische Schäferhund Bam Bam gibt sich alle Mühe. Forschende in den USA vermuten, dass Schnüffelerfolg weniger eine Sache der Rasse als vielmehrder Trainierbarkeit sein dürfte.
Foto: IMAGO//BildFunkMV

... und anatomische Analysen

Daher wandten sich die Forschenden der Anatomie zu, oder genauer: der Lamina cribrosa. Vielleich lag dort des Rätsels Lösung. Die Lamina cribrosa ist ein Teil des Siebbeins, einem Knochen am Ende der Nasenhöhle. Sie ist von Nervenbahnen durchzogen, die Geruchsinformationen an das Gehirn weiterleiten. Je größer diese Struktur im Verhältnis zur Körpergröße eines Säugetiers ist, desto besser kann der Geruchssinn sein, das zumindest haben bisherige Untersuchungen ergeben.

Doch auch die Vermessung von 103 Hundeschädeln brachte in dieser Hinsicht keine Antwort: Das Team fand keine erkennbaren strukturellen Unterschiede, die eine Erklärung für die Bevorzugung mancher Rassen für Schnüffel- oder Jagdaufgaben liefern könnte. "Unsere Ergebnisse stellen die Behauptung von Züchtern infrage, dass Geruchsmerkmale durch strenge Kontrollen der Fortpflanzung bei Geruchsrassen ausgewählt und gesteuert wurden", schreiben die Studienautorinnen und -autoren auf dem Preprintserver bioRxiv.org.

Umstrittene Ergebnisse

Die Gruppe um Bird vermutet deshalb, dass die bekannten Unterschiede zwischen den Rassen bei Geruchserkennungsaufgaben eher eine Folge angezüchteter Verhaltensunterschiede wie beispielsweise Motivation und Trainierbarkeit ist. "Es gibt einen Unterschied zwischen wilden Caniden und Hunden", sagte Bird. "Aber das Spannende an dieser Studie ist, dass sie mit dem Mythos aufräumt, dass der Bluthund einen übernatürlichen Geruchssinn hat."

Diesem Resultat wollen sich freilich nicht alle Fachkolleginnen und -kollegen vorbehaltlos anschließen. Der Hundegenetiker Jeffrey Schoenebeck von der Universität Edinburgh, UK, der nicht an der Studie beteiligt war, gibt sich im Wissenschaftsmagazin Science skeptisch: "Ich denke, dass hier noch andere Möglichkeiten im Spiel sind." Um diese auszuschließen, sollte man seiner Meinung nach beispielsweise Arbeitshunde und Ausstellungshunde derselben Rasse miteinander vergleichen. (tberg, red, 7.5.2024)