Sind die Emissionswerte wesentliche Eigenschaften eines Fahrzeugs? Die Gerichte sehen das unterschiedlich.

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Wien – Nächstes Urteil im Reigen der Einzelverfahren im Dieselskandal. Das Handelsgericht Wien hat dem Besitzer eines vom Dieselskandal betroffenen Audi Q3 recht gegeben und den Autohändler – einen VW-Vertragshändler in Wien – zur Rückzahlung des Kaufpreises von 40.000 Euro abzüglich eines Benützungsentgelts von rund 8.000 Euro verpflichtet (Urteil vom 31.10.2018, AZ 26 Cg 18/16v). Ob dieser in Berufung gehen wird, ist noch offen. Tut er das nicht beziehungsweise kommt die nächste Instanz zu keinem anderen Schluss, stehen dem Audi-Besitzer 32.000 Euro plus Zinsen zu.

Wenig gefahren

Auch in diesem Fall trägt das Gericht dem Umstand Rechnung, dass der Audi-Besitzer wenig mit dem Auto gefahren ist. Nach Ansicht des Handelsgerichts Wien ist der verkaufte Audi Q3 doppelt mangelhaft, denn "sowohl das Vorhandensein einer Software, welche die am Prüfstand zu messenden Werte betreffend Abgasverhalten zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Typengenehmigung in verzerrender und beschönigender Weise manipuliert, als auch die Tatsache, dass das Unterlassen des Aufspielens des Softwareupdates, welches vom selben Unternehmen entwickelt wurde, zum Entzug der Zulassung durch die österreichische Zulassungsbehörde führt, stellen einen Mangel des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs dar". Mit anderen Worten: Der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung – vulgo Schummelsoftware – berechtigt zur Rückabwicklung, die Geschädigten müssen sich nicht auf das Softwareupdate verweisen lassen.

Arglistige Täuschung

Das Softwareupdate sei dem von der Kanzlei Legal Chambers vertretenen Autokäufer unzumutbar, wie das Gericht befand: "Die arglistige Täuschung durch den Übergeber beziehungsweise das vorsätzliche Herbeiführen dieses Mangels erfüllt den Tatbestand der Unzumutbarkeit aus triftigen Gründen, welche in der Person des Übergebers liegen." Erfreulich, so Rechtsanwalt Thomas Kainz auf STANDARD-Anfrage, weil damit "Opfer vom Dieselskandal das Softwareupdate verweigern und sogleich die Fahrzeugrückgabe verlangen können."

Nicht alle Fälle gehen so aus. Die Gerichte sehen das Thema durchaus unterschiedlich. Während das OLG Innsbruck in jüngerer Vergangenheit ebenfalls zugunsten eines betroffenen Audi-Besitzers entschied, kam das OLG Wien im Oktober zum Schluss, dass die Berufung eines VW-Tiguan-Besitzers abgewiesen werde (Streitwert 40.900 Euro), weil unter anderem kein Verschulden des Händlers vorliege, da er selbst erst durch Medienberichte von der Software erfahren habe. Auch liege kein Irrtum vor, weil die Emissionswerte des Autos nicht Gegenstand des Verkaufsgesprächs waren und keine wesentliche Eigenschaften des Fahrzeuges seien.

Beim OLG Linz ging es – ebenfalls im Oktober – um 26.340 Euro, auch hier betraf es einen Tiguan – und auch hier verwies das OLG darauf, dass der Schadstoffausstoß beim Kauf kein Thema war. Ein Rechtsmangel liege nicht vor, weil sowohl die EG-Typengenehmigung als auch die Zulassung aufrecht seien.

Dass sich Autokäufer in manchen Fällen vor Gericht nicht durchsetzen können, kann auch darin liegen, dass Schadenersatz gefordert worden sei. Dafür müsse kein Verschulden des Autohändlers nachgewiesen werden. Im aktuellen Fall hat sich der Käufer laut Kainz auf Gewährleistung berufen, wofür kein Verschulden notwendig sei. Arglistig gehandelt habe nicht der VW-Vertragshändler, sondern der Hersteller selbst durch den Einbau der Schummel-Software – der Händler werde sich wiederum beim Hersteller schadlos halten müssen. (rebu, 16.11.2018)