Für den FPÖ-Politiker Harald Vilimsky sieht die Europäische Union "dem Sterben in der Ukraine" zu.
Heribert Corn

Harald Vilimsky war zunächst unschlüssig, ob er dem STANDARD ein Interview geben möchte. Schließlich konnte sich der FPÖ-Spitzenkandidat zur EU-Wahl doch noch dazu durchringen. Zwischen der Plakatpräsentation am Mittwoch im Stift Göttweig und dem Wahlkampfauftakt am Freitag in der Lugner City fand er die Zeit und den Weg in die Redaktion.

STANDARD: Warum wollen Sie die Europäische Union zerstören?

Vilimsky: Ich möchte den Laden weder zerstören noch zerschlagen.

STANDARD: Wie würden Sie es nennen, was Sie mit der EU vorhaben?

Vilimsky: Positiv reformieren und die Zügel lockerer lassen.

STANDARD: Europa steht ein Rechtsruck bevor. Der FPÖ könnte es bei EU-Wahlen erstmals gelingen, Erste zu werden. Sorge, dass Ihnen auch diesmal kurz vor der Wahl eine Enthüllung einen Strich durch die Rechnung macht, so wie 2019 das Ibiza-Video?

Vilimsky: Ibiza lag seit Jahren in irgendeiner Schublade und wurde knapp vor der Wahl gezündet. Das hatte den Geruch einer Wahlbeeinflussung. Bis jetzt ist rechtlich nichts hängen geblieben.

STANDARD: Aber fürchten Sie, dass diesmal wieder eine Affäre aufpoppt?

Vilimsky: Jetzt ist einmal bei den Grünen etwas aufgepoppt.

STANDARD: Ich frage Sie, weil die FPÖ schon jetzt in eine ganze Reihe von Skandalen verstrickt ist – von Finanz- bis zur Spionageaffäre.

Vilimsky: Diese Spionagekiste rund um den Herrn Ott hat mit uns wirklich überhaupt nichts zu tun.

STANDARD: Der Russen-Spion Egisto Ott stand in intensivstem Austausch mit dem einstigen FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, Parteichef Herbert Kickls damaliger rechter Hand.

Vilimsky: Ott hatte auch mit anderen – von Pilz bis Brandstätter – Kontakt. Aber das wird DER STANDARD in seiner investigativen Rolle sicher penibel nachforschen.

STANDARD: Das haben wir bereits. Kein anderer Politiker hatte derart intensiven Kontakt mit Ott wie Jenewein.

Vilimsky: Er ist kein FPÖ-Mitglied.

STANDARD: Damals war er das aber.

Vilimsky: Damals waren die Vorwürfe gegen Ott auch nicht bekannt.

Harald Vilimsky, FPÖ-Spitzenkandidat zur EU-Wahl, im Gespräch mit STANDARD-Redakteurin Sandra Schieder.
Heribert Corn

STANDARD: Ihre Parteifreundin und Salzburgs Landesparteichefin Marlene Svazek sagte im STANDARD-Interview, dass es "nicht das Gescheiteste" war, einst Kontakte nach Russland zu suchen. Sehen Sie das auch so?

Vilimsky: Nicht wir haben damals Moskaus Boden geküsst. Das war der damalige SPÖ-Chef Gusenbauer. Und der jetzige, Babler, bekennt sich zum Marxismus. Ja, wir haben auf dem Roten Platz ein Foto gemacht, aber andere – von Van der Bellen über Leitl bis Edtstadler – sind im politischen Rektum von Putin unterwegs gewesen. Und ja, aus heutiger Sicht hätte ich von der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags (der FPÖ mit Putins Partei im Jahr 2016, Anm.) abgeraten.

STANDARD: Die Nähe der FPÖ zu Russland ist evident und zeigt sich auch an ihrer prorussischen Politik, die Sie nach wie vor betreiben.

Vilimsky: Einspruch! Das weise ich in aller Deutlichkeit zurück.

STANDARD: So ist die FPÖ gegen die Sanktionen gegen Russland und die Hilfszahlungen an die Ukraine. Was wäre denn ein besserer Ansatz?

Vilimsky: Sämtliche Sanktionswellen waren für uns ein Schuss ins Knie. Ich würde die Leute endlich an den Verhandlungstisch zwingen, um Möglichkeiten zu sondieren, Frieden zu stiften.

STANDARD: Ein Ende der Sanktionen und der Hilfszahlungen würde nicht das Ende des Krieges, sondern das Ende der Ukraine bedeuten.

Vilimsky: Die EU ist es, die dem Sterben in der Ukraine zusieht. Ich will die Beendigung dieser kriegerischen Handlungen. Österreich könnte dafür einen neutralen Rahmen bieten.

STANDARD: Die FPÖ redet der Neutralität das Wort und ist deshalb gegen einen Nato-Beitritt und Sky Shield. Glauben Sie wirklich, dass uns die Neutralität allein in Zeiten wie diesen noch ausreichend schützen wird?

Vilimsky: Ja, das glaube ich. Die Neutralität ist in Österreich nicht umsonst eine heilige Kuh. Wer die Neutralität verlässt, macht sich zu einem Ziel, das er zuvor nicht war.

STANDARD: Warum sollte Österreich hier eine Insel der Seligen sein?

Vilimsky: Die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs ist am minimalsten, solange wir neutral sind.

STANDARD: Und wenn wir doch eines Tages angegriffen werden: Sollen wir uns dann allein verteidigen, oder hoffen Sie, dass uns die Nato beispringt?

Vilimsky: Das ist ein Was-wäre-wenn-Spiel, das nichts bringt.

Harald Vilimsky mag keine "Was-wäre-wenn-Spiele".
Heribert Corn

STANDARD: Herr Vilimsky, wissen Sie, was Sie von den anderen vier Spitzenkandidaten unterscheidet?

Vilimsky: Dass ich der Einzige bin, der Österreichs Interessen vertritt.

STANDARD: Zum einen sitzt keiner der anderen so lange im EU-Parlament wie Sie.

Vilimsky: Wenn jemand zwei Perioden im Parlament sitzt, wird er schon als Sesselkleber bezeichnet.

STANDARD: Das habe ich gar nicht.

Vilimsky: Ich gehe erfolgreich in die dritte Periode. Die anderen werden wegen Misserfolgs ausgewechselt.

STANDARD: Zum anderen sind Sie der Einzige, der Beschuldigter in einem Strafverfahren – der Spesenaffäre – ist.

Vilimsky: Das sind viele bei uns – und nicht nur bei uns. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.

STANDARD: Die Staatsanwaltschaft wirft Ihnen Veruntreuung von Parteigeldern für private Zwecke vor.

Vilimsky: Schauen wir, was herauskommen wird. Ich gehe davon aus, dass ich das alles entkräften kann.

"Wer die Neutralität verlässt, macht sich zu einem Ziel, das er zuvor nicht war", sagt Vilimsky.
Heribert Corn

STANDARD: Würden Sie eigentlich auch die Halbierung des EU-Parlaments und der EU-Kommission fordern, wenn Ihr Job daran hinge?

Vilimsky: Klar. Ich trete an, um den Laden zu verkleinern. Sollte es mich treffen, dann trifft es mich.

Ich trete an, um den Laden zu verkleinern. Sollte es mich treffen, dann trifft es mich

STANDARD: Eine Halbierung hätte zur Folge, dass Österreich als kleines Land womöglich keinen eigenen Kommissar mehr stellen könnte.

Vilimsky: Würde es unseren Kommissar Gio Hahn nicht geben, würde auch niemandem etwas abgehen.

STANDARD: Keinen eigenen Kommissar würden Sie also in Kauf nehmen?

Vilimsky: Es könnten sich mehrere Länder auf einen gemeinsamen Kommissar verständigen, der sich der Remigration und dem Rückbau der Europäischen Union widmet.

STANDARD: "Remigration" ist für Rechte ein Euphemismus für verfassungswidrige Deportationspläne. Ist es das, was Ihnen vorschwebt?

Vilimsky: Deportation ist ein Holler. Seit 2015 sind acht Millionen Menschen – so viele wie Österreich Einwohner hat – nach Europa gekommen. Zwei Drittel davon haben keinen Schutzstatus. Ich bin gegen eine interkontinentale Völkerwanderung unter dem Mantel des Asyls. Asyl ist ein Schutz auf Zeit. Fällt die Bedrohung, hat man wieder in die Heimat zurückzukehren.

STANDARD: Was würden Sie als Kommissar als Erstes machen?

Vilimsky: Endlich mit dem EU-Außengrenzschutz Ernst machen. Und nach dem britischen Ruanda-Modell Illegale in sichere Drittstaaten außerhalb Europas bringen.

STANDARD: Ist Großbritannien für Sie auch Vorbild beim EU-Austritt?

Vilimsky: Stopp dem EU-Wahnsinn heißt Stopp dem EU-Wahnsinn und nicht Austritt aus der Union. Mein Ziel in der EU ist es, die Verantwortungsträger auszuwechseln und die Zielrichtung umzudefinieren.

STANDARD: Sie nennen die EU ein "Irrenhaus", auf Ihren Plakaten steht diese für "Kriegstreiberei", "Asylkrise", "Corona-Chaos" und "Ökokommunismus". Ist das eine adäquate Sprache?

Vilimsky: Wir werden im Gegenzug als Extremisten und Putin-Freunde bezeichnet. Die Politik ist allgemein plakativer, Begrifflichkeiten sind derber geworden.

STANDARD: In einem Online-Sujet versprechen Sie, dass man die "ORF-Zwangsgebühren" abwählen kann. Ist das nicht glatter Wählerbetrug?

Vilimsky: Es ist sehr wohl ein EU-Thema, weil ich auf EU-Ebene eine Initiative zur Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Zwangssysteme starten will.

STANDARD: Aber der ORF-Beitrag kann nicht abgewählt werden.

Vilimsky: Man kann das anachronistische System öffentlich-rechtlicher Zwangsgebühren abschaffen.

STANDARD: Auf EU-Ebene wird auch eine Rolle spielen, wie Österreichs künftige Regierung aussehen wird. Was wäre hier Ihre Präferenz?

Vilimsky: Unter uns soll derjenige mitmachen, der die größte Schnittmenge mit unseren Themen hat.

STANDARD: Das wäre die ÖVP.

Vilimsky: Schauen wir einmal.

STANDARD: Mit welchem der anderen Spitzenkandidaten würden Sie gerne auf ein Bier gehen und warum?

Vilimsky: Mit gar keinem. Ich habe keinerlei Interesse, auch nur eine Sekunde mehr als notwendig mit diesen Menschen zu verbringen. Das beruht sicher auf Gegenseitigkeit. (Sandra Schieder, 10.5.2024)

Video: Vilimsky schiebt "Vorhang auf für unser Österreich"
APA