Android ist seit Jahren ein fixer Bestandteil jeder Google I/O. So ist es zwar auch bei der aktuellen Ausgabe von Googles jährlicher Entwicklerkonferenz, in der einleitenden Keynote wurde das sonst so zentrale Thema aber gerade einmal am Rande gestreift. Stattdessen fokussierte das Unternehmen seine Präsentation ganz auf das aktuelle Lieblingsthema der Tech-Branche: Künstliche Intelligenz.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Google nichts über Android zu sagen hat – ganz im Gegenteil. Man spendiert dem Thema nur einen eigenen Tag, anstatt es an die ohnehin schon übervolle KI-Keynote zu hängen. Also gibt es nun mit 24 Stunden Verzögerung gleich eine Fülle von Neuerungen rund um das größte Betriebssystem der Welt, und einige davon wird es sogar für ältere Devices geben.

Dave Burke
Android-Entwicklungschef Dave Burke bei der Präsentation neuer Android-Features auf der Google I/O

Sicherheit und Diebstahlschutz

Einen besonderen Schwerpunkt setzt man dabei auf das Thema Sicherheit in all seinen Facetten. So sollen gleich mehrere Neuerungen Smartphone-Dieben das Leben schwerer machen. Eine neue Diebstahlsicherung soll etwa im Fall des Falles das Smartphone automatisch sperren und so verhindern, dass die Kriminellen damit etwas anfangen können.

In einem Pressegespräch am Rande der I/O erläuterte Android-Entwicklungschef Dave Burke, worum es dabei geht und wie das funktioniert. Eine gebräuchliche Form des Diebstahls ist es, den Opfern einfach mitten in der Nutzung das entsperrte Gerät zu entreißen, um dann schnell die Kamera zu aktivieren, wodurch verhindert werden soll, dass das Smartphone sich von selbst sperrt.

Erkennung

Genau dieser Ablauf lässt sich aber über die Sensoren solcher Geräte gut erkennen, wie Burke betont, also sperrt Android künftig in diesen Fällen das Smartphone auch dann, wenn die Kamera läuft, womit die Verbrecher also keinen Zugriff mehr haben. Dazu kommt noch eine weitere neue Schutzmaßnahme: Ist das Smartphone länger offline, wird in Zukunft ebenfalls automatisch eine Sperre des Geräts erzwungen.

Android Theft Protection
Remote Lock und die Theft Protection sind zwei neue Schutzfunktionen für Android.
Google

Sowohl die "Theft Protection" als auch der "Offline Device Lock" sollen als Update an so gut wie alle im Umlauf befindlichen Android-Geräte ausgeliefert werden. Google nutzt dafür seine Play Services, die auf sämtlichen Smartphones mit Google-Diensten zu finden sind. Mindestvoraussetzung ist Android 10.

Dasselbe gilt für ein weiteres neues Feature namens "Remote Lock". Wenn das Smartphone gerade gestohlen wurde, ist Zeit oft ein wichtiger Faktor, um eine Sperre vorzunehmen. Also gibt es nun eine neue Möglichkeit, das eigene Gerät manuell zu sperren. Dafür reicht es, die mit dem Gerät verbundene Nummer und einen zugehörigen Sicherheitscode zu wissen, man kann sich also schnell ein Smartphone einer anderen Person ausborgen, um diese Sperre vorzunehmen. Das soll Zeit bringen, um dann einen Rechner aufzusuchen und über die bekannte "Find My"-Funktion in Ruhe das Gerät zurückzusetzen, bevor jemand etwas damit anfangen kann.

Pin-Code klauen

Eine weitere bekannte Methode von Dieben ist es, den Opfern über die Schulter zu schauen, um den Passcode zu erspähen und so Zugriff auf Gerät und Google-Konto gleichermaßen zu bekommen. Mit dem kommenden Android 15 können die User nun eine erweiterte Authentifizierung aktivieren, bei der vor jeder Änderung an zentralen Systemeinstellungen oder auch am Google-Konto noch einmal eine biometrische Authentifizierung verlangt wird. Ein ähnliches Feature hat Apple vor einigen Wochen bei iOS eingeführt, auch dort ist es optional.

Private Space

Dann wäre da noch, was eines der zentralen neuen Features von Android 15 werden dürfte: der sogenannte "Private Space". Darüber ist es möglich, einen Teil der Apps in einem getrennt gehaltenen Bereich zu halten, von Haus aus werden sie dann auch gar nicht in der App-Liste angezeigt. Das heißt natürlich auch, dass Diebe darauf keinen Zugriff haben, selbst wenn sie das Gerät entsperrt in die Hände bekommen.

Private Space
Im Private Space können Apps noch einmal zusätzlich abgesichert werden, sie werden von Haus aus auch in der App-Liste gar nicht angezeigt.
Google

Das neue Feature dürfte aber auch unabhängig vom Schutz vor Dieben viele User interessieren, die einzelne Apps vom restlichen System getrennt lassen wollen. Burke betont dabei, dass man viel Zeit investiert habe, damit diese Bereiche sauber getrennt bleiben und wirklich keine Daten nach außen dringen.So werden auch Downloads von im Private Space befindlichen Apps getrennt gehalten. Als Einsatzgebiet für diesen abgetrennten Bereich sieht man etwa Bank- oder Gesundheits-Apps.

Malware

Verschärft wird einmal mehr der Schutz vor Schadsoftware und betrügerischen Programmen. Google Play Protect kann künftig mithilfe einer lokal laufenden KI das Verhalten von Apps analysieren. Wird dabei verdächtiges Verhalten entdeckt, werden die User gewarnt.

Google betont, dass das Feature mit besonderem Augenmerk auf die Privatsphäre entwickelt wurde, die Analyse erfolgt im sogenannten Private Compute Core, der strikt vom restlichen System getrennt ist und auch keinerlei Zugriff auf das Internet hat. Das bedeutet allerdings auch, dass nur Geräte, die einen solchen Hochsicherheitsbereich besitzen, davon profitieren können. Laut Google sollen jedenfalls neben den eigenen Pixel-Geräten auch Smartphones von anderen Herstellern wie Oppo, Honor oder auch Oneplus und Nothing diesen Extraschutz erhalten.

Gegen Ausspionieren

Mit Android 15 kommen dann noch weitere Schutzmaßnahmen hinzu. So sollen etwa Einmalpasswörter nicht mehr in Benachrichtigungen angezeigt werden, Schadsoftware greift an dieser Stelle gerne zu, um Zwei-Faktor-Authentifizierung auszutricksen.

Zudem sollen beim Screensharing solche Inhalte generell nicht mehr übertragen werden, auch das haben Angreifer bisher ausgenutzt. Das Gleiche gilt für die Eingabe von Passwörtern oder Kreditkarteninformationen, auch diese Dinge werden beim Screensharing nicht mehr übertragen. Ebenfalls neu mit Android 15 ist die Möglichkeit, nur mehr eine einzelne App statt des gesamten Geschehens am Smartphone zu sharen.

Schutz vor IMSI-Catchern

Einen Schwerpunkt der Google-Bemühungen stellt seit geraumer Zeit die Verbesserung der Mobilfunksicherheit dar, ein notorischer Problembereich. Mit Android 15 gibt es gleich eine Reihe von Verschärfungen in dieser Hinsicht. So kann das Betriebssystem künftig vor IMSI-Catchern – also falschen Basisstationen – warnen, wie sie oft zur Überwachung verwendet werden.

Android Security
Einige der neuen Schutzfunktion von Android: verbesserte Malware-Erkennung, Ausblenden von sensiblen Informationen in Benachrichtigungen und der Extraschutz für Mobilfunkverbindungen.
Google

Zudem weist Android mit der neuen Version darauf hin, wenn die Mobilfunkverbindung unverschlüsselt ist, auch das kommt nämlich in einigen Ländern noch immer vor, zum Teil passiert das auch im Rahmen gezielter Attacken. Zu beiden Features gilt es zu erwähnen, dass sie von der Unterstützung in der Modem-Software, dem sogenannten Baseband, abhängig sind. Insofern muss sich erst zeigen, für welche Geräte jenseits der Pixel-Reihe das dann tatsächlich kommt.

Neue Testversion

Passend zu all diesen Neuerungen gibt es auch eine neue Testversion für Android 15, die Beta 2. Neben den schon erwähnten Neuerungen wie Private Space bringt diese auch wieder allerlei strukturelle Verbesserungen. So gibt es etwa diverse neue Beschränkungen für lange laufende Aufgaben, was die Akkulaufzeit verbessern soll.

Zudem bereitet man Änderungen für den Linux-Kernel bei neueren Geräten vor, die eine gesteigerte Effizienz gerade bei speicherintensiven Aufgaben bringen sollen. Außerdem setzt man weitere Schritte für die Ablöse von OpenGL ES durch das neuere Vulkan für Grafikbeschleunigung. Auch die Wiedergabe von Videos im AV1-Format soll künftig performanter sein.

Um noch ein für die Nutzer sichtbares Feature zu nennen: Es wurde das Multitasking für Geräte mit großem Bildschirm verbessert. So können nun endlich auch im Original-Android App-Paare fix abgespeichert werden. Davon profitiert vor allem Googles eigenes Pixel Tablet, bei Drittherstellen wie Samsung gab es das ja schon bisher.

Download

Die Android 15 Beta 2 ist wie gewohnt umgehend für Googles eigene Smartphones und Tablets ab dem Pixel 6 verfügbar. Wer daran Interesse hat, kann einfach dem Betaprogramm beitreten, und bekommt dann die Testversion als Update ans eigene Gerät geschickt. Parallel dazu sollen aber auch andere Hersteller wie Nothing, Oneplus, Oppo, Vivo oder Xiaomi erste Testversionen für Android 15 auf ausgewählten Geräten anbieten. In diesem Fall sei aber eine Warnung ausgesprochen:, in den früheren Jahren waren die ersten Betas jenseits der Pixel-Reihe eine oft sehr unfertige und fehlerbehaftete Angelegenheit.

Nur kurz sei erwähnt, dass Google im Rahmen der Keynote schon am Vortag einige andere Android-Neuerungen erwähnt hat. KI soll zum Zentrum der User Experience von Android werden, betonte das Unternehmen denn auch. So soll die Gemini-App künftig wesentlich mehr Möglichkeiten bieten, auch Circle to Search wird ausgebaut. Vor allem aber sollen die Möglichkeiten von lokal am Gerät laufender KI deutlich ausgebaut werden. Gemini Nano soll im Verlauf des Jahres multimodal werden, also neben Text auch mit Bildern, Video und Ton umgehen können.

Find My

Bereits vor einigen Wochen hat Google den Start seines neuen "Find My"-Netzwerks angekündigt. Wie aus der Apple-Welt schon länger bekannt, werden dabei so gut wie alle Android-Geräte genutzt, um ein Netz zu spannen, mit dem sich dann Devices in der Umgebung punktgenau aufspüren lassen.

Den Rollout hat man dabei zunächst langsam vorgenommen, in den USA ist in den vergangenen Tagen aber bereits ordentlich Fahrt in die Angelegenheit gekommen. Nun folgt der logische nächste Schritt: Das Netzwerk wird auf die gesamte Welt ausgedehnt. Passend dazu kommen langsam auch die ersten eigenen Bluetooth-Tracker von Firmen wie Chipolo und Pebblebbee auf den Markt, andere Hersteller sollen mit ihren Airtag-Konkurrenten bald folgen.

Wer meint, das wäre jetzt schon alles, der irrt. Denn Android gibt es eben nicht nur für Tablets und Smartphones. Und diese anderen Bereiche wachsen derzeit schnell, wie Google versichert. So sei etwa die Nutzerbasis von WearOS im vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen. Ähnlich sieht es bei Android TV aus, bei diesem redet man von 220 Millionen aktiven Geräten, ein Plus von gar 47 Prozent im Jahresvergleich. Und dann gibt es mittlerweile bereits 200 Millionen Fahrzeuge, die mit Android Auto kompatibel sind.

Wear OS 5

Um diesen Schwung mitzunehmen, gibt es nun auch in diesen Bereichen größere Neuerungen. Mit Wear OS 5 soll noch dieses Jahr eine neue Generation des Smartwatch-Betriebssystems folgen, eine erste Developer Preview gibt es umgehend, wenn auch vorerst nur für den entsprechenden Emulator – also keine echte Hardware.

Wear OS
Mit Wear OS 5 kündigt Google eine neue, effizientere Version seines Smartwatch-Betriebssystems an.
Google

Wear OS 5 soll signifikante Fortschritte bei der Effizienz bringen, und da gerade beim Tracken von Workouts. Läuft etwa jemand einen Marathon, soll das nun 20 Prozent weniger Strom verbrauchen als unter Wear OS 4 – das ausschließlich dank Softwareoptimierungen. Verbesserungen gibt es auch für das Watch-Face-Format, auch das soll nicht zuletzt zu weniger Stromverbrauch führen.

Die neue Softwaregeneration basiert übrigens auf dem aktuellen Android 14. Wann Wear OS 5 veröffentlicht wird, verrät das Unternehmen noch nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass es spätestens mit der Pixel Watch 3 im Herbst so weit sein wird.

Android TV

Ebenfalls in Entwicklung ist eine neue Generation von Android TV auf Basis von Android 14. Diese verspricht eine gesteigerte Performance, aber auch neue Energiemodi, um im Standby-Modus weniger Strom zu verbrauchen. Zudem wird nun auch auf Fernsehern der Bild-im-Bild-Modus von Android unterstützt. Wann die neue Version fertig wird und, vor allem, wo sie dann wirklich verfügbar sein soll, ist derzeit noch unbekannt.

Die aktuelle Oberfläche namens Google TV wird aber ohnehin separat aktualisiert, und auch hier gibt es wieder KI-getriebene Neuerungen. So soll der Homescreen dank der Nutzung von Gemini wesentlich besser an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, also je nach Schauspieler- oder Genre-Vorlieben. Zudem soll die KI Beschreibung in sonst bei einem Titel nicht vorhandenen Sprachen übersetzen können.

Android XR?

Wer sich dann noch fragt, was eigentlich aus den Gerüchten über eine neue Android-Variante für Mixed Reality geworden ist: Am Rande der Konferenz bestätigte Google, dass es diese tatsächlich gibt und sie auch bald vorgestellt werden soll. Man wollte nur nicht, dass ein solch wichtiger neuer Bereich komplett im Ankündigungssturm der I/O untergeht. (Andreas Proschofsky aus Mountain View, 15.5.2024)